Mercy Thompson 01 - Ruf des Mondes-retail
imponierenden englischen Akzent. Er sah auch nicht schlecht aus, wenn auch ein bisschen feminin für meinen Geschmack.
»Und?«, sagte ich.
Er warf die Schlüssel in die Luft und fing sie zwei, dreimal mit einer Hand wieder auf, ohne mich aus den Augen zu lassen. Wenn ich schrie, würde Adam es hören, aber wie ich schon zuvor gesagt hatte, ich gehörte ihm nicht. Er war schon besitzergreifend genug, viele Dank. Ich glaubte allerdings wirklich nicht, dass Ben dumm genug sein würde, mir etwas anzutun, nicht mit Adam in Rufweite.
»›Bleib doch einen Moment, Ben‹«, kopierte er nun übertrieben den schleppenden Akzent, der manchmal immer noch in Adams Stimme lag – ein Überbleibsel seiner Kindheit im Süden. »›Warte, bis meine Tochter Gelegenheit hatte, in ihr Zimmer zu gelangen. Ich möchte sie solchen wie dir lieber nicht aussetzen.‹« Der letzte Satz imitierte Adams Tonfall nicht länger, sondern fiel wieder in seinen eigenen britischen Akzent. Er klang in diesem Moment nicht unbedingt wie Prince Charles, sondern eher wie Fagan in Oliver.
»Und was hat das mit mir zu tun?« Ich sah ihn fragend an. »Du bist derjenige, der aus dem Rudel in London geworfen wurde. Wenn Adam dich nicht aufgenommen hätte, wäre die Situation für dich ziemlichen schwierig geworden.«
»Das war nicht mein Fehler«, sagte er mit grollender Stimme. »Und was deine Beteiligung angeht – Adam sagte, du hättest ihn davor gewarnt, Jesse in meine Nähe zu lassen.«
Ich konnte mich nicht daran erinnern, so etwas getan zu haben, aber es hätte schon sein können. Ich zuckte die Achseln. Ben war vor ein paar Monaten in einem gewaltigen Wirbel
von Klatsch hier eingetroffen. In seinem Viertel in London war es zu brutalen Vergewaltigungen gekommen, und die Polizei hatte ihn als Täter im Auge gehabt. Schuldig oder nicht, sein Leitwolf war der Ansicht gewesen, es sei besser, ihn aus dem Rampenlicht zu schaffen, und so hatte er ihn zu Adam verschifft.
Am Ende hatte die Polizei ihm nichts nachweisen können, aber nachdem er ausgewandert war, hatten die Vergewaltigungen aufgehört. Ich hatte es überprüft – das Internet bietet wirklich erstaunliche Möglichkeiten. Dann erinnerte ich mich, tatsächlich darüber mit Adam gesprochen zu haben, und ja, ich hatte ihn gewarnt, in der Nähe verwundbarer Frauen besonders auf Ben Acht zu geben. Dabei hatte ich vor allem an Jesse gedacht, aber ich glaubte nicht, das ausdrücklich ausgesprochen zu haben.
»Du magst Frauen nicht«, sagte ich schlicht. »Du bist unhöflich und barsch zu ihnen. Was erwartest du?«
»Geh nach Hause, Ben«, erklang eine tiefe Sirupstimme direkt hinter meiner rechten Schulter. Ich brauchte wirklich mehr Schlaf, verdammt noch Mal, wenn sich neuerdings jeder an mich anschleichen konnte!
»Darryl«, sagte ich und warf einen Blick zurück zu Adams Stellvertreter.
Darryl war ein hochgewachsener Mann, weit über eins achtzig. Seine Mutter war Chinesin, hatte Jesse mir erzählt, und sein Vater ein afrikanischer Stammesmann, der sich an einer amerikanischen Universität gerade einen Ingenieursabschluss erwarb, als sie sich kennenlernten. Darryls Züge bildeten eine verblüffende Mischung dieser beiden Kulturen. Er sah aus wie jemand, der Model oder Filmstar sein sollte, hatte aber einen Doktortitel in Ingenieurswissenschaften und arbeitete in den Nordwestlabors an einem geheimen Regierungsprojekt.
Ich kannte ihn nicht gut, aber er hatte diese ausgesprochen achtbare Haltung, die College-Professoren manchmal an den Tag legen können. Ich war sehr froh über seine Anwesenheit, aber dennoch nicht glücklich, zwischen zwei Werwölfen festzusitzen, wer immer sie sein mochten. Also trat ich zur Seite, bis ich beide sehen konnte.
»Mercy.« Darryl nickte mir zu, ließ Ben aber nicht aus den Augen. »Adam hat bemerkt, dass du nicht da warst, und mich geschickt, um nach dir zu schauen.« Als Ben nicht reagierte, sagte er: »Nimm dich zusammen, Ben. Das hier ist der falsche Zeitpunkt.«
Ben schürzte nachdenklich die Lippen, dann lächelte er auf eine Weise, die einen bemerkenswerten Unterschied zu seiner bisherigen düsteren Miene bildete. »Keine Sorge. Ich habe nur einer hübschen jungen Frau gute Nacht gesagt. Gute Nacht, liebe Mercedes. Träum von mir.«
Ich setzte zu einer bissigen Bemerkung an, aber Darryl blickte warnend zu mir herüber und machte mit der Hand eine kleine, abwiegelnde Geste. Wenn mir etwas wirklich Gutes eingefallen wäre, hätte ich es trotzdem
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