Mercy Thompson 01 - Ruf des Mondes-retail
Schnee bedeckt.
Es gab nur eine einzige Autospur, die diese Abzweigung entlangführte, und die zog sich bald in eine kleine Einfahrt. Danach musste ich mir den Weg die Straße entlang selbst suchen, indem ich dort fuhr, wo es keine Bäume gab. Zum Glück waren die Bäume dicht und zeigten mir den Weg sehr deutlich.
Die Straße wand sich weiter das schmale Flusstal entlang, und ich war dankbar für den Vierradantrieb. Einmal überquerten zwei Columbia-Maultierhirsche direkt vor mir den Fahrweg. Sie starrten mich verärgert an und trabten davon.
Mein letzter Besuch hier lag lange zurück – damals hatte ich noch nicht einmal einen Führerschein gehabt. Die Straße war mir nicht vertraut, und ich fing an, mir Gedanken zu machen, dass ich auch die nächste Abzweigung verpassen würde. Dann lag die Kreuzung vor mir, ein Weg klar gekennzeichnet, der andere, den ich nehmen musste, kaum breit genug für den Bus.
»Also gut«, sagte ich zu Adam, der winselte. »Wenn wir in Kanada landen und du mich dann immer noch nicht gegessen hast, können wir vielleicht umkehren und es noch mal versuchen.«
Ich war gerade zu dem Schluss gekommen, dass mir genau das bevorstand, als ich das Ende einer langen Steigung erreichte und ein handgeschnitztes Schild sah. Ich hielt den Bus an.
Aspen Creek verkündete das Schild in anmutiger Schrift, weiß auf einem dunkelbraunen Hintergrund. 23 Meilen. Als ich den Bus herumzog, um dem Pfeil zu folgen, fragte ich mich, wann Bran wohl erlaubt hatte, es anzubringen. Vielleicht hatte er genug davon, Führer zu schicken – aber als ich Montana verlassen hatte, war er noch eisern gewesen, was das »möglichst unauffällig bleiben« anging.
Keine Ahnung, wieso ich angenommen hatte, dass sich hier oben nichts veränderte. Immerhin hatte ich mich in den Jahren,
seit ich das letzte Mal hier gewesen war, selbst gewaltig verändert. Ich hätte erwarten können, dass auch Aspen Creek nicht so geblieben war wie in meiner Erinnerung, aber es musste mir nicht auch noch gefallen.
Man konnte Nichteingeweihten verzeihen, wenn sie annahmen, dass es in Aspen Creek nur vier Gebäude gab: die Tankstelle mit der Post, die Schule, die Kirche und das Motel. Sie würden die Wohnhäuser nicht bemerken, die unauffällig an den Hängen und unter Bäumen standen. Vor der Tankstelle parkten ein paar Autos, aber ansonsten wirkte der Ort verlassen. Ich wusste es besser. Es gab immer Leute, die alles im Auge behielten, aber sie würden mich nicht stören, solange ich nichts Ungewöhnliches tat – wie einen verwundeten Werwolf aus meinem Auto zu zerren.
Ich blieb direkt unter dem Aspen-Creek-Motel- Schild stehen, welches ziemlich gut zu dem Schild passte, dem ich in die Siedlung gefolgt war. Das alte Gebäude war nach dem Vorbild anderer Motels in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts errichtet worden – ein lang gezogenes, schmales, kunstloses Haus, bei dem Gäste ihre Autos vor ihren Zimmern parken konnten.
Niemand befand sich im Büro, aber die Tür war nicht verschlossen. Das Motel war eindeutig renoviert worden, seit ich zum letzten Mal hier gewesen war, und das Ergebnis verlieh der Herberge einen gewissen ländlichen Charme, was immer noch besser war, als das abgerissene 50er-Jahre-Ambiente, das zuvor hier geherrscht hatte.
Ich sprang über die Rezeption hinweg und nahm mir den Schlüssel mit der Nummer eins. Nummer eins war das sicherste Zimmer des Marrok, besonderes entworfen für Werwölfe, die nicht kooperieren konnten oder wollten.
Dann fand ich ein Stück Papier und schrieb: Verwundeter in Nummer eins. Bitte nicht stören darauf , ließ es auf dem Tisch liegen, und kehrte zum Bus zurück, um zum Zimmer zu fahren.
Adam aus dem Auto zu bekommen, würde schwierig werden. Als ich ihn in den Bus gezerrt hatte, war er zumindest bewusstlos gewesen. Ich öffnete die verstärkte Metalltür des Motelzimmers und sah mich um. Das Mobiliar im Raum war neu und sehr schlicht, nur ein Bett und ein Nachttisch, fest an Wand und Boden befestigt – nichts, was mir helfen würde, einen Werwolf, der doppelt so schwer war wie ich, aus dem Bus zu hieven, ohne einem von uns dabei wehzutun. Es gab auch keine Veranda wie an Adams Haus, was für einen Abstand von über einem Meter von Bus zum Boden sorgte.
Am Ende kam ich zu dem Schluss, dass es besser wäre, um Hilfe zu rufen, als Adam weiter zu verletzen. Ich kehrte ins Büro zurück und griff nach dem Telefon. Seit ich Aspen Creek verlassen hatte, hatte ich Sam nicht mehr
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