Mercy Thompson 01 - Ruf des Mondes-retail
angerufen, aber dennoch war ich mit ihm verbunden. Er mochte der Grund gewesen sein, wieso ich diesen Ort verlassen hatte, aber er war der Erste, an den ich dachte.
»Hallo?«, antwortete eine Frauenstimme, die mir vollkommen unbekannt vorkam.
Ich brachte keinen Ton heraus. Mir war nicht klar gewesen, wie sehr ich damit gerechnet hatte, Samuel zu hören, bis die Stimme einer anderen Person erklang.
»Marlie? Stimmt etwas nicht im Motel? Soll ich Carl rüberschicken?« Sie sieht die Nummer wohl auf dem Display, überlegte ich einfältig.
Sie klang hektisch, aber zumindest erkannte ich ihre Stimme nun und spürte eine Woge der Erleichterung. Ich weiß nicht, wieso Lisa Stoval an Samuels Apparat gegangen war, aber dass sie Carl erwähnte und die plötzliche Anspannung in ihrer
Stimme verriet sie. Ich nehme an, sie hatte einfach nie fröhlich geklungen, wenn sie mit mir sprach.
Einiges mochte sich verändert haben, aber andere Dinge hatte ich wohl einfach vergessen. Annähernd fünfhundert Personen lebten in Aspen Creek, und nur etwa siebzig davon waren Werwölfe. Über die menschliche Bevölkerungsmehrheit hatte ich jedoch selten nachgedacht. Lisa und ihr Mann Carl waren beide Menschen, ebenso wie die sechsjährige Marlie, oder zumindest waren sie das gewesen, als ich aufgebrochen war.
»Ich weiß nicht, wo Marlie ist«, sagte ich. »Hier spricht Mercedes, Mercedes Thompson. Das Büro des Motels ist leer. Und ich wäre wirklich dankbar, wenn du Carl vorbeischicken oder mir sagen könntest, wen ich sonst anrufen soll. Ich habe den Leitwolf des Columbia-Rudels in meinem Auto. Er ist schwer verwundet, und ich brauche Hilfe, um ihn in das Motelzimmer zu schaffen. Es wäre noch besser, wenn ich wüsste, wo ich Bran finden kann.«
Bran hatte zu Hause kein Telefon, oder zumindest war das so gewesen, als ich ging. Er hätte jetzt durchaus ein Handy haben können.
Wie die meisten Frauen von Aspen Creek hatte Lisa mich nie leiden können. Aber sie gehörte nicht zu den Leuten, die sich von solchen Kleinigkeiten davon abhalten ließen, das zu tun, was richtig war.
»Bran und ein paar andere sind mit den neuen Wölfen auf ihrer ersten Jagd. Marlie hockt wahrscheinlich irgendwo und weint. Lee, ihr Bruder, war einer von denen, die versucht haben, sich zu verändern. Er hat es nicht geschafft.«
Das hatte ich vergessen. Wie hatte das passieren können? Beim letzen Oktobervollmond konnten sich alle versammeln, die versuchen wollten, Werwölfe zu werden. In einer förmlichen Zeremonie wurden sie von Bran oder einem anderen
Wolf, der sie liebte, brutal angegriffen, in der Hoffnung, dass sie sich danach verwandelten. Die meisten schafften es nicht. Ich erinnerte mich an die Spannung und die Traurigkeit, die im November stets über dem Ort lag. Thanksgiving hatte für die Bewohner von Aspen Creek eine andere Bedeutung als für den Rest von Amerika.
»Tut mir leid«, sagte ich eher lahm, denn ich fühlte mich wirklich nicht in der Lage, mich mit noch mehr toten jungen Leuten zu beschäftigen. »Lee war ein guter Junge.«
»Ich schicke Carl.« Lisas forsche Stimme schnitt mein Recht, zu trauern oder Mitleid zu haben, ab. Sie legte auf, ohne sich zu verabschieden.
Ich vermied es, weiter nachzudenken oder die Plane mit Mac darunter zu betrachten, während ich im Bus saß und auf Hilfe wartete. Stattdessen verfütterte ich die restlichen Hamburger an Adam, während wir warteten. Sie waren kalt und zäh, aber das schien dem Wolf nichts auszumachen. Nachdem er sie gefressen hatte, schloss er die Augen und ignorierte mich.
Schließlich parkte Carl einen verbeulten Jeep neben dem Bus und stieg aus. Er war groß und kräftig und immer mehr ein Mann der Tat als des Wortes gewesen. Er umarmte mich und tätschelte mir den Rücken.
»Tu nicht so, als wärst du eine Fremde Mercy«, sagte er, dann lachte er über mein erschrockenes Gesicht und zauste mein Haar. Ich hatte vergessen, wie gern er so etwas machte, vergessen, wie leicht er anderen seine Zuneigung zeigen konnte, sogar Bran. »Lisa sagte, du hast Adam mitgebracht, und er ist in schlechter Verfassung?«
Selbstverständlich würde er wissen, wer der Anführer des Columbia-Rudels war. Adams Rudel waren die nächsten Werwolf-Nachbarn von Aspen Creek.
Ich nickte und öffnete die Rückseite des Busses, damit er sehen konnte, womit wir es zu tun hatten. Adam machte einen besseren Eindruck, als noch vor ein paar Stunden, aber das bedeutete nicht viel. Ich konnte die Knochen seiner
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