Mercy Thompson 01 - Ruf des Mondes-retail
Medea zu teilen.
Meine Mutter rief auf dem Handy an, als ich gerade wieder ins Auto stieg, und versuchte, mir ein schlechtes Gewissen einzureden, damit ich zu Thanksgiving oder Weihnachten nach Portland kam. Ich entzog mich beiden Einladungen – in den zwei Jahren, in denen ich bei ihr gewohnt hatte, war ich auf genug Familientreffen für ein ganzes Leben gewesen.
Nicht, dass sie schlimm gewesen wären – genau das Gegenteil ist der Fall. Curt, mein Stiefvater, ist ein zurückhaltender, sachlicher Mensch – genau das richtige Gegengewicht zu meiner Mutter. Ich fand erst später heraus, dass er nichts von mir gewusst hatte, als ich mit sechzehn auf seiner Schwelle stand.
Aber er hatte mich ohne weitere Fragen in seinem Haus aufgenommen und mich wie sein eigenes Kind behandelt.
Meine Mutter Margi ist lebhaft und auf eine sehr vergnügte Art durchgedreht. Es fällt mir überhaupt nicht schwer, mir vorzustellen, dass sie eine Beziehung zu einem Rodeoreiter hatte (meinem Vater) oder von zu Hause ausgerissen war, um sich dem Zirkus anzuschließen. Dass sie Vorsitzende der örtlichen Elternvereinigung sein sollte, war da schon verblüffender.
Ich mag meine Mutter und meinen Stiefvater. Ich mag sogar all meine Halbgeschwister, die mein plötzliches Auftauchen in ihrem Leben begeistert begrüßt hatten. Sie wohnen alle zusammen, eine dieser einander sehr nahestehenden Familien, wie sie das Fernsehen so gerne als normal darstellt. Ich bin sehr glücklich zu wissen, dass es solche Menschen gibt – aber ich selbst gehöre nicht zu ihnen.
Ich besuche sie zweimal im Jahr, damit sie nicht zu mir nach Hause kommen, und achte darauf, es nicht an einem Feiertag zu tun. Meine Besuche fallen meist ziemlich kurz aus. Ich habe sie alle wirklich gern, aber aus der Ferne sind sie mir einfach lieber.
Als ich auflegte, hatte ich tatsächlich ein schlechtes Gewissen und war deprimiert. Ich fuhr nach Hause, schob die Pute zum Tauen in den Kühlschrank und fütterte die Katze. Es versetzte mich auch nicht gerade in bessere Stimmung, den Kühlschrank sauber zu machen, selbst wenn ich das aus irgendeinem unverständlichen Grund erwartet hatte. Am Ende stieg ich wieder ins Auto und fuhr hinaus zum Hanford-Reach-Park.
Ich gehe nicht oft dorthin. Es gibt nähere Orte, um zu joggen, und wenn mir nach Auto fahren zumute ist, sind die Blue Mountains nicht weit entfernt. Aber manchmal sehnt sich meine Seele nach der trockenen Einöde des Wildreservats – besonders nach einen Gespräch mit meiner Mutter.
Ich parkte den Wagen und ging eine Weile weiter, bis ich einigermaßen sicher sein konnte, dass niemand in der Nähe war. Dann zog ich meine Sachen aus, steckte sie in den kleinen Rucksack und verwandelte mich.
Werwölfe brauchen bis zu einer Viertelstunde, um ihre Gestalt zu verändern, und es ist immer schmerzhaft für sie – etwas, das man sich merken sollte. Sie sind ohnehin nicht gerade die freundlichsten Zeitgenossen, aber wenn sie sich gerade verändert haben, ist es eine gute Idee, sie eine Weile in Ruhe zu lassen.
Die Verwandlung der Walker – oder zumindest meine, denn ich kenne keine anderen – geschieht hingegen schnell und schmerzlos. Einen Augenblick bin ich noch ein Mensch, im nächsten ein Kojote – es ist reine Magie. Ich gehe einfach von einer Gestalt zur nächsten über.
Um das letzte Kribbeln der Veränderung zu verscheuchen, rieb ich die Nase an meinem Vorderbein. Es braucht immer einen Moment, bis ich mich daran gewöhnt habe, dass ich mich jetzt auf vier Beinen bewege statt auf zweien. Ich weiß, weil ich es nachgelesen habe, dass Kojoten anders wahrnehmen als Menschen, aber meine Sehschärfe ist in jeder Gestalt so ziemlich die Gleiche. Mein Gehör wird ein wenig besser und mein Geruchssinn ebenfalls, obwohl ich selbst in Menschengestalt über bessere Sinne verfüge als die meisten anderen.
Ich packte den nun mit meiner Kleidung gefüllten Rucksack und schob ihn tiefer in ein Gebüsch. Dann warf ich alle Erinnerungen an meine menschliche Existenz ab und eilte in die Wüste.
Nachdem ich drei Kaninchen gescheucht und einem Paar in einem Boot auf dem Fluss einen Blick auf meine entzückende pelzige Person gegönnt hatte, ging es mir erheblich besser. Ich muss mich nicht mit dem Lauf des Mondes verändern,
aber wenn ich zu lange auf zwei Beinen bleibe, werde ich ruhelos und launisch.
Angenehm müde, wieder in Menschengestalt und angezogen, stieg ich in mein Auto und sprach mein übliches Stoßgebet, als ich den
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