Mercy Thompson 01 - Ruf des Mondes-retail
ich, dass sie nicht die furchterregende Kneifzange sein konnte, die er so gern beschrieb.
»Was bringt dich in die Gegend?«, fragte ich.
»Ich wollte dich um einen Gefallen bitten und dich fragen, ob du dir vielleicht das Auto eines Freundes ansehen könntest«, antwortete er.
»Ein VW?«
»Ein Buick.«
Ich zog überrascht die Brauen hoch. »Klar, ich sehe es mir gern mal an, aber ich bin nicht für amerikanische Autos eingerichtet – dazu habe ich nicht die Computer. Dein Freund sollte es zu jemandem bringen, der sich mit Buicks auskennt.«
»Sie hat es schon in drei verschiedene Werkstätten gebracht – sie haben den Sauerstofffühler, die Zündkerzen und sonst alles Mögliche ausgetauscht. Es will immer noch nicht so recht laufen. Der letzte Mechaniker sagte ihr, sie brauche einen neuen Motor, und er könne das für doppelt so viel erledigen, wie die Kiste wert ist. Sie hat nicht viel Geld, aber sie braucht das Auto.«
»Ich verlange nichts dafür, es mir anzusehen, und wenn ich es nicht reparieren kann, werde ich ihr das sagen.« Dann kam mir plötzlich ein Gedanke, denn ich hatte die Spur von Ärger in seiner Stimme gehört, als er von ihren Problemen sprach. »Ist das deine Lady?«
»Sie ist nicht meine Lady«, protestierte er wenig überzeugend.
Die letzten drei Jahre hatte er sich für eine der Polizistinnen in der Funkzentrale interessiert, eine Witwe mit einem Haufen Kinder. Er hatte allerdings nie wirklich etwas unternommen, weil er seinen Job liebte – und sein Job, erklärte er wehmütig, vertrug sich nicht mit Verabredungen, Eheringen und Nachkommenschaft.
»Sag ihr, sie soll ihn vorbeibringen. Wenn sie ihn einen oder zwei Tage hierlassen kann, sehe ich mal, ob Zee ihn sich anschauen kann.« Zee, mein ehemaliger Boss, war in den Ruhestand gegangen, als er mir die Werkstatt verkaufte, aber hin und wieder schaute er herein, um »noch ein bisschen im Geschäft zu bleiben«. Er wusste mehr über Autos und wie
sie funktionierten als ein ganzes Team von Ingenieuren aus Detroit.
»Danke, Mercy. Nett von dir.« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Ich muss los.«
Ich winkte ihm hinterher, dann kehrte ich wieder zu dem Getriebe zurück. Das Auto arbeitete mit, wie sie es nur selten tun, also brauchte ich nicht lange. Bis mein neuer Helfer satt, sauber und in einem alten Overall von Tad zurückehrte, war ich schon damit beschäftigt, alles wieder zusammenzubauen. Selbst der Overall würde nicht warm genug für draußen sein, aber in der Werkstatt, in der mein großes Heizgerät lief, würde er genügen.
Der Junge war schnell und effizient, und mir wurde bald klar, dass er tatsächlich ein paar Stunden unter der Motorhaube eines Autos verbracht hatte. Er stand nicht herum und sah zu, sondern reichte mir die Teile und Werkzeuge, bevor ich fragte, und spielte die Rolle des Zuarbeiters, als wäre er schon lange daran gewöhnt. Entweder war er von Natur aus schweigsam, oder er hatte gelernt, wie man den Mund hielt, denn wir arbeiteten ein paar Stunden überwiegend wortlos zusammen. Am Ende wurden wir mit dem ersten Auto fertig und fingen mit dem zweiten an, bevor ich mich entschloss, ihn ein wenig zum Reden zu bringen.
»Ich heiße übrigens Mercedes, und du kannst mich duzen«, sagte ich, während ich den Riemen einer Lichtmaschine löste. »Wie soll ich dich nennen?«
Seine Augen blitzten. »Du heißt Mercedes und reparierst Volkswagen?« Dann wurde seine Miene sofort wieder verschlossen, und er murmelte: »Entschuldigung. Ich wette, den Witz hast du schon öfter gehört.«
Ich grinste, reichte ihm die Schraube, die ich herausgeholt hatte, und widmete mich der nächsten. »Ja. Aber ich arbeite
auch an Mercedes-Modellen – an allen deutschen Autos, Porsche, Audi, BMW und hier und da auch an einem Opel. Meist alte Autos, bei denen die Händlergarantie abgelaufen ist, aber ich habe auch die Programme für die meisten neueren Modelle, falls eins reinkommen sollte.«
Ich wandte den Kopf ab, um die störrische Schraube besser sehen zu können. »Du kannst mich Mercedes oder Mercy nennen, wie es dir passt. Und wie ist dein Name?«
Ich dränge Leute nicht gern in die Ecke, in der sie dich anlügen müssen. Wenn er ein Ausreißer war, würde er wahrscheinlich nicht seinen richtigen Namen nennen, aber ich brauchte etwas, damit ich ihn nicht nur mit »Junge« oder »He, du« ansprechen musste, wenn ich mit ihm zusammenarbeiten wollte.
»Nenn mich einfach Mac«, sagte er nach einiger Zeit.
Die Pause
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