Mercy Thompson 04 - Zeit der Jäger-retail-ok
weißt, dass sie dich dazu gedrängt hätte, wenn sie wüsste, zu was sie geworden ist. Sie wird uns mit ihrer Besessenheit, nach Italien zurückzukehren, noch alle umbringen. Dies ist unser Heim – unsere Siedhe verneigt sich vor keiner anderen. Italien hat nichts, was es uns geben kann.«
»Nein«, sagte Stefan. »Ich werde mich nicht gegen die Herrin wenden.«
»Sie ist nicht länger deine Herrin«, zischte Estelle. Sie schritt nach vorne, bis sie sich an Stefans Bein schmiegte. »Sie hat dich gefoltert – ich habe gesehen, was sie getan hat. Dich, der du sie liebst – sie hat dich hungern lassen und dir die Haut vom Körper gepeitscht. Wie kannst du sie jetzt noch unterstützen?«
Stefan antwortete nicht.
Und ich wusste mit absoluter Sicherheit, dass ich Recht damit hatte, darauf zu vertrauen, dass er mich beschützen und nicht in einen geistlosen Sklaven verwandeln würde. Stefan wandte sich nicht gegen diejenigen, die er liebte. Egal, was passierte.
Stefan stieß sich von der Motorhaube ab und spuckte betont deutlich auf den Boden.
Estelle verspannte sich, wutentbrannt wegen der Beleidigung, und er lächelte grimmig. »Tu es«, sagte er – und hielt plötzlich, mit einem Schütteln des Handgelenks und der Magie einer Highlander-Folge, ein Schwert in der Hand. Es sah eher effizient aus als schön: tödlich.
»Soldat, das wirst du bereuen«, sagte Estelle.
»Ich bereue vieles«, antwortete er, seine Stimme jetzt scharf und erfüllt von einer kalten, wogenden Wut. »Dass
ich dich heute Abend gehen lasse, mag bald auch dazugehören. Vielleicht sollte ich es nicht tun.«
»Soldat«, entgegnete sie. »Erinnere dich daran, wer dich betrogen hat. Du weißt, wie du mich erreichen kannst – warte nicht, bis es zu spät ist.«
Die Vampire verschwanden mit unnatürlicher Schnelligkeit und ihr menschlicher Köder lief hinter ihnen her. Stefan wartete mit dem Schwert in der Hand, während ein Auto ansprang und die Scheinwerfer an einem schwarzen Mercedes der Siedhe aufleuchteten. Er brauste an uns vorbei und verschwand in der Nacht.
Er schaute sich um, dann fragte er mich: »Riechst du irgendetwas, Mercy?«
Ich testete die Luft, aber außer Stefan waren alle Vampire verschwunden … oder im Windschatten. Ich schüttelte den Kopf und trottete zurück zum Van. Stefan, ganz der Gentleman, der er einst gewesen war, blieb draußen, bis ich angezogen war.
»Das war interessant«, sagte ich, als er einstieg und den Gang einlegte.
»Sie ist ein Narr.«
»Marsilia?«
Stefan schüttelte den Kopf. »Estelle. Sie ist Marsilia nicht gewachsen. Bernard … er ist zäher und stärker, obwohl er jünger ist. Zusammen könnten sie vielleicht etwas erreichen, aber auf jeden Fall ohne mich.«
»Es klang nicht, als würden sie zusammenarbeiten«, meinte ich.
»Sie werden zusammenarbeiten, bis sie ihre Ziele erreicht haben, und es dann auskämpfen. Aber sie sind Narren, wenn sie wirklich denken, dass sie überhaupt an diesen
Punkt kommen werden. Sie haben vergessen, oder niemals gewusst, was Marsilia sein kann.«
Er fuhr in meine Einfahrt und wir beide stiegen aus dem Van.
»Wenn du mich brauchst, wenn du wieder hörst, dass Blackwood dich ruft – denk einfach meinen Namen, während du dir wünschst, ich wäre an deiner Seite, und ich werde kommen.« Er blickte grimmig. Ich hoffte, weil er an die Begegnung mit Estelle dachte, und nicht, weil er sich um mich Sorgen machte.
»Danke.«
Er strich mir mit dem Daumen über die Wange. »Warte noch eine Weile, bevor du mir dankst. Du änderst deine Meinung vielleicht noch.«
Ich tätschelte seinen Arm. »Die Entscheidung ist gefallen.«
Er verbeugte sich leicht und verschwand.
»Das ist ja so cool«, sprach ich in die leere Luft. Plötzlich war ich so müde, dass ich kaum die Augen offen halten konnte. Ich ging nach drinnen und packte mich ins Bett.
8
A ls ich am nächsten … Nachmittag aufwachte, saß Adam am Fußende meines Bettes. Er lehnte an der Wand und las eine abgewetzte Ausgabe von Das Buch der Fünf Ringe. Das Buch lag auf Medeas Rücken auf, und sie schnurrte, während sie gleichzeitig mit ihrem kurzen Schwanz wedelte – den sie eher wie ein Hund benutzte, weniger wie eine Katze.
»Solltest du nicht eigentlich in der Arbeit sein?«, fragte ich.
Er blätterte um und sagte mit geistesabwesender Stimme: »Mein Boss ist flexibel.«
»Zieht dir für Schwänzen keinen Lohn ab«, sinnierte ich. »Wie kann ich einen Boss wie deinen bekommen?«
Er grinste.
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