Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meridian - Flüsternde Seelen

Meridian - Flüsternde Seelen

Titel: Meridian - Flüsternde Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
Vom Netzwerk:
schnappte nach Luft. Wegen der Schutthaufen wirkte die Ruine wie eine Baustelle. Ein einsamer Stuhl aus dem Wohnzimmer stand noch genau an seinem Platz, doch sonst war alles bis auf den Fußboden verschwunden.
    Ich betrachtete das Fundament, wo Fliesen und Teppiche noch an Ort und Stelle lagen. Aber die oberen Etagen gab es nicht mehr. Keine Mansarde, keine Küche, kein Schwesternzimmer. Kein Büro der Heimleiterin, keine Leiche.
    »Da ist sie ja!« Meridian hatte mich entdeckt und lief auf mich zu.
    Ich blieb einfach stehen und wartete ab.
    Beinahe hätte sie mich umarmt. Ich merkte ihr an, dass die Verheerung ihr offenbar jegliche Hoffnung geraubt hatte, denn in ihrem Gesicht stand eine unbeschreibliche Erleichterung. »Alles in Ordnung?«, wollte sie wissen.
    Ich nickte und zeigte hinter mich. »Enid braucht Hilfe.«
    Meridian winkte die anderen heran. Tens. Eine lächelnde Frau, die so aufgeregt in ein Mobiltelefon sprach, dass ich mich fragte, wer wohl am Apparat sein mochte.
    Ein Mann kam auf mich zu, schlüpfte aus dem Sakko und legte es mir um die Schultern. »Ach, Juliet Ambrose. Der Augapfel ihrer Mutter und das Herz, das in der Brise schlägt.« Lächelnd rieb er mir die Arme. Und da wusste ich es.
    In diesem Moment fiel mir wieder ein, was ich so lange vergessen gehabt hatte. »Tony?«, sagte ich. Und dann wurde ich ohnmächtig.

[home]
    Kapitel 41
    A uf der Fahrt zum Dunklebarger wechselten Tens und ich besorgte und ängstliche Blicke. Tony hatte das Radio eingeschaltet, und wir hörten die Nachrichten. »Der Trichter hat die Innenstadt von Carmel knapp verfehlt, allerdings eine fünfzehn Kilometer breite Schneise geschlagen. Der Sturm wandert nun weiter nach Osten in Richtung Noblesville. Falls Sie einen Keller haben, sollten Sie unsere Sendung dort anhören.«
    Ich lauschte mit einem Ohr, während ich die Verwüstung rings um uns betrachtete. Ich konnte genau sehen, wo der Tornado entlanggezogen war. Warum manche Dinge zerstört worden und andere unversehrt geblieben waren, entzog sich jeglicher Logik. Wegen der vielen umgestürzten Bäume waren die Straßen mit Wurzelwerk und Stromleitungen bedeckt. Mehr als einmal mussten wir über Felder holpern, um Ruinen, aufeinandergetürmte Autos oder totes Vieh zu umrunden. Das Wüten von Mutter Natur hatte keine Gnade gekannt.
    Vom Dunklebarger stand nur noch eine winzige Abstellkammer. Das restliche Gebäude war fort, als hätte es nie existiert. »Wo ist es hin?«
    »Wahrscheinlich hat es ein Farmer fünfzehn Kilometer entfernt genau vor der Nase. So was passiert öfter«, erwiderte Joi.
    Wir stiegen aus und fingen an, zu rufen und uns auf die Suche zu machen. Tens und ich steuerten auf den Bach zu. Tony und Joi entdeckten im Wald einen Schutthaufen und versuchten, einzelne Trümmer abzutragen.
    Sie darf nicht tot sein. Sie darf nicht tot sein. Sie darf nicht tot sein.
    Und dann öffnete sich die einzige noch aufrechte Tür, und Juliet erschien wie ein kampfbereiter Racheengel. Das Haar hing ihr schlaff und tropfnass ums Gesicht. Ihre Hände waren zerkratzt und blutig, und die Kleider klebten ihr am Leib. Als ich ihr entgegenlief, musste ich über Äste und verbogene Blechplatten klettern.
    Als Tony näher kam, sahen Juliet und er einander an. Im nächsten Moment rollten ihre Augen zurück, und sie sackte in sich zusammen. Tony fing sie auf.
    »Atmen.« Tens beugte sich herunter und flüsterte mir das Wort ins Ohr.
    Mir wurde klar, dass ich die Luft angehalten hatte.
    Joi kämpfte sich in die Überreste der Abstellkammer vor und entdeckte eine alte Dame, die zwar einige Blutergüsse aufwies, aber ansonsten nicht schwer verletzt zu sein schien. Enid konnte weder gehen, noch hatte sie eine Erklärung dafür, wie sie noch rechtzeitig vom Obergeschoss in die Kammer gekommen waren.
    Tony hielt Juliet im Arm und flüsterte Gebete und tröstende Worte.
    Tens und ich wussten, dass Bodie, Sema, Nicole und die Heimleiterin auch irgendwo in diesem Tohuwabohu sein mussten.
    Wie riefen und schrien ihre Namen, bis wir heiser waren. Dann gingen Tens, Custos und ich in das, was von dem zerrupften Wald noch übrig war. Umhergewirbelte Autoteile und ein Traktoranhänger versperrten zerbeult den Fußweg. Selbst im Fluss lagen Rigipsplatten, Stofftiere und eine Toilettenschüssel. Der Eisenzaun, über den Bodie so oft geklettert war, war aus dem Boden gerissen worden und hatte sich in den Stamm eines Baums gebohrt. Welche Wirkung das bei einem Menschen gehabt hätte, wollte ich

Weitere Kostenlose Bücher