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Meridian - Flüsternde Seelen

Meridian - Flüsternde Seelen

Titel: Meridian - Flüsternde Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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eine Ausbuchtung an seinem Rücken. Eine Waffe?
    Ich entfernte mich vom Tisch. »Klar.«
    Tens öffnete die Tür erst nur einen Spalt, dann weiter. »Rumi?«
    »Ich bringe Nachricht von Ihrem Engel.« Die Stimme des Mannes dröhnte wie ein Güterzug.
    Woher wusste er das? Wir hatten ihm doch gar nicht verraten, wen oder was wir genau suchten, sondern nur ein Mädchen erwähnt, ohne hinzuzufügen, dass sie eine Fenestra war.
    »Am besten kommen Sie rein.« Tens schloss die Tür hinter ihm.
    Die an Haken von der Decke baumelnden trocknenden Kräuter trafen Rumi fast am Kopf. »Keine Sorge, ich habe geschwiegen. Sie leuchtet so wie Sie. Sie ist von einem Strahlen umgeben.« Er zeigte auf mich.
    »Was soll das heißen, ich leuchte?«, fragte ich.
    »So, als würden Sie vor der Sonne stehen. Ihre Umrisse werden von einem verschwommenen Licht nachgezeichnet. Sehen Sie es denn nicht?«, wandte er sich an Tens. Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich wieder zu mir um. »Sie müssen es doch im Spiegel wahrnehmen, beim Schminken oder so.«
    Ich schüttelte den Kopf, Tens ebenfalls. Auch wenn Rumi den Eindruck gewinnen mochte, dass ich es leugnete, erkannte ich die Fenestra in mir wirklich nicht auf diese Weise. Es war eher wie eine Bewegung außerhalb meines Gesichtsfelds, so als würde ich von jemandem oder etwas gestreift.
    Offenbar wirkte meine Miene ungläubig oder schockiert, denn Rumi ließ sich auf einem geschnitzten Schaukelstuhl am Kamin nieder. »Ich bin nicht verrückt«, sagte er. »Exzentrisch vielleicht, aber nicht vom Wahnwitz besessen.«
    Ich konnte ein Lachen nicht unterdrücken. »Wir halten Sie nicht für verrückt. Ehrlich nicht.« Er wirkte völlig konfus. »Möchten Sie einen Tee?«
    »Gern, gegen ein Tässchen Tee ist nie etwas einzuwenden.«
    Ich schenkte mir eine Traubenlimonade und Tens eine Cola ein.
    »Erzählen Sie uns mehr über das Mädchen.« Tens setzte sich mit seinem Glas neben mich aufs Sofa.
    Rumi wies hinter sich auf den Gaskamin mit den künstlichen Holzscheiten. »In ein paar Tagen brauchen Sie den nicht mehr anzumachen. Es steht eine Warmfront vor der Tür.«
    »Es wird wärmer? Woher wissen Sie das?« Ich trank einen Schluck.
    »Woher wissen Sie, was Sie zum Frühstück essen sollen?«
    »Tens stellt es mir hin.« Ich lächelte.
    Rumi strahlte mich an. »Ach, eine Zynikerin. Ich gebe alles für eine spannende Spiegelfechterei.«
    »Das Mädchen?«, hakte Tens nach. Rumi neigte dazu, abzuschweifen. Außerdem war da noch seine Ausdrucksweise, für die man ein Wörterbuch brauchte. Manches hätte ich nicht einmal schreiben können.
    »Nun, ich habe mir überlegt, wie ich am besten eine große Gruppe von Leuten an einem Ort versammeln könnte, um ihnen Fragen zu stellen, ihre Vibrationen aufzufangen und die neuesten Gerüchte zu hören. Wie man das eben so macht.« Er zuckte mit den Schultern. »Also habe ich beschlossen, in meinem Studio einen Tag der offenen Tür zu veranstalten. Das ist eine gute Methode, möglichst vielen Menschen zu begegnen und vielleicht das Mädchen zu finden, das Sie suchen.«
    Tens’ Lippen zuckten. Ich rutschte hin und her und versuchte, den roten Faden nicht zu verlieren.
    Rumi nahm es mit Gelassenheit. »Ich habe Hochachtung vor Ihrer Mission. Deshalb habe ich mich darangemacht, Einrichtungen für ältere Herrschaften aufzusuchen, denn Sie haben schließlich davon gesprochen, das Mädchen und die Katze hätten Verbindung zu einem Pflegeheim. Richtig? Die Leute reden gern. Und so bin ich mit meinen Einladungen hausieren gegangen und habe mich ein wenig kundig gemacht.« Sein Blick schweifte umher, als habe er sich in seine eigenen Gedanken verheddert. Seine Miene verdüsterte sich und wurde besorgt.
    »Und?«, forderte ich ihn auf und lehnte mich dichter an Tens, dessen aufmerksamer Gesichtsausdruck sonst nichts verriet. Ich war nicht sicher, ob ich den Rest der Geschichte hören wollte.
    Rumis Unbeschwertheit hatte nachgelassen. »Sie ist eine versehrte Seele. Traurig, die Augen voller Hoffnungslosigkeit. Kurz davor, unter dem gewaltigen Druck zusammenzubrechen. Und erfüllt von Zorn.« Er schüttelte sich.
    »Und das haben Sie ihr einfach so angesehen?«
    »Nein, natürlich nicht. Sie ist hochgewachsen und mit einem Körper gesegnet, der harte Arbeit und Geburten überstehen kann. Breite Schultern, breite Hüften … bei der richtigen Ernährung könnte sie ein Klasseweib werden. Sie ist kräftig. Widerstandsfähig. Und hat das längste Haar, das ich

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