Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meridian - Flüsternde Seelen

Meridian - Flüsternde Seelen

Titel: Meridian - Flüsternde Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
Vom Netzwerk:
möchte.«
    Ich bekam es mit der Angst zu tun. »Ich weiß nicht …«
    Er tat meine Zögerlichkeit ab. »Es ist nur eine kleine Runde. Wenige Personen. Sie könnten Ihnen helfen. Vielleicht auch nicht. Doch es wäre schon einmal ein Anfang, während Sie überlegen, ob Sie mich bei der Rettung des armen Mädchens unterstützen werden oder ob ich kühn und unkonventionell zu Werk gehen muss.«
    »Nicht.« Tens legte die Hand auf Rumis mächtigen Unterarm. »Geben Sie uns bis dahin Zeit, damit wir die Angelegenheit besprechen können. Die Sache ist vielschichtig …«
    »Und so manches kann schiefgehen. Eine Verschlimmbesserung, wenn wir nicht vorsichtig sind. Einverstanden.« Rumi ließ sich von Custos die Hand ablecken. Im Gehen pfiff er eine fröhliche Melodie, die ein Seemannslied zu sein schien.
    Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, stieß ich den Atem aus. »Uff …«
    »Der Mann ist eine Naturgewalt.« Tens’ Tonfall spiegelte meine Gefühle wider.
    Ich hielt inne. »Glaubst du das wirklich?«
    »Nein, ist nur so eine Redensart. Aber er ist eindeutig anspruchsvoll und gewöhnt, seinen Willen durchzusetzen. Ich komme mir in seiner Gegenwart richtig dumm vor.«
    »Das meint er nicht so. Ich glaube, bei ihm fühlen sich alle, als würden sie Unsinn reden.«
    »Also ein guter Verbündeter?«
    »Vielleicht. Ich glaube schon.«
    Ich fing an, die Seiten in der Holzschachtel zu entfalten, die Rumi auf den Tisch gestellt hatte. Die Papierbögen waren brüchig und bräunlich verfärbt. Bei den meisten Bildern handelte es sich um schwarze Tuschezeichnungen, einige jedoch waren mit Wasserfarben oder Pastellkreide koloriert.
    Sie alle stellten Fenster dar.
    »Tens.« Offenbar hörte man mir meinen Schrecken an, denn er war blitzschnell an meiner Seite.
    Die Fenster waren alle identisch, ein großes Rechteck, gekrönt von einem Bogen. Jedes Fenster wurde von Streben in vier Quadrate geteilt. Der Bogen war mit einer Sonne versehen, deren Strahlen sich ausbreiteten wie Blütenblätter und den Platz ausfüllten.
    Tens schnappte nach Luft, als er mir eine Seite nach der anderen aus der Hand nahm.
    Jenseits der Fenster waren winzige Szenen zu sehen, kunstvoll gestaltete Panoramen, einige von wartenden Menschen bevölkert. Die Bilder hatten eine solche Ähnlichkeit mit meinen eigenen Erfahrungen, den Erzählungen meiner Tante oder den in dem Buch geschilderten Begebenheiten, dass mir der Atem stockte. Entgeistert starrte ich ins Leere. Rumi wusste über Fenestrae, Geisterengel und den Guten Tod Bescheid. Bedeuteten all diese Begriffe dasselbe?
    »Er hat recht«, stellte Tens fest, während er die Seiten immer wieder durchblätterte.
    »Stimmt.« Meine Fassungslosigkeit, weil wir jemandem begegnet waren, der uns Aufschluss über Fenestrae geben konnte, verwandelte sich in eine Mischung aus Anspannung, Erleichterung, Angst und Aufregung.
    Custos winselte.
    »Er hat auch von Schriftstücken gesprochen, richtig?«
    »Ja, aber die sind nicht auf Englisch«, entgegnete Tens und hielt ein Blatt Pergamentpapier hoch.
    »Dann soll er sie für uns übersetzen«, erwiderte ich.
    »Das heißt, dass wir ihm vertrauen müssen.«
    »Wir haben keine andere Wahl«, sagte ich, bemüht, diese Erkenntnis zu verdauen. »Lass uns zu Juliet fahren.«
    »Hast du einen Plan?«
    »Nein, aber ich kann spüren, dass wir hier richtig sind.«
    »Also gut.« Achselzuckend griff Tens nach dem Autoschlüssel. »Dann also los.«
     
    Custos kauerte hinter uns, schnupperte abwechselnd die Luft und am Boden und schnaubte dabei wie ein Blasebalg.
    »Wir sollten erst schauen, ob Bodie irgendwo hier draußen ist.«
    »Und dann? Klopfen wir einfach an die Tür?«
    »Vielleicht.« Eher nicht. Noch nicht.
    Ich schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass Bodie sich in seinem Baum versteckte, damit wir ihn bitten konnten, Juliet zu holen, anstatt beim Anklopfen womöglich vor einer Aternocta zu stehen.
    Die Stunden verstrichen, während wir am Ufer des Bachs warteten. Ich glaube, ich döste sogar ein wenig vor mich hin, bis mir vom langen Stillsitzen die Beine einschliefen. »Er kommt nicht raus.« Ich war enttäuscht.
    »Er hat ja keine Ahnung, dass wir hier sind.« Tens lockerte Füße und Knie.
    »Sollen wir es morgen wieder versuchen?« Ich wollte aufstehen.
    »Moment, da bewegt sich etwas.« Tens legte mir die Hand auf den Arm.
    Custos wedelte aufgeregt mit dem Schwanz. Ein Tier hüpfte aus dem Schatten und rieb sich schnurrend an ihren Beinen. Custos

Weitere Kostenlose Bücher