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Meridian - Flüsternde Seelen

Meridian - Flüsternde Seelen

Titel: Meridian - Flüsternde Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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weicher, die Einbuchtungen flacher und die Ecken runder geworden.
    »Was ist mit …?« Er zeigte nach oben.
    Ich zuckte ratlos mit den Schultern. »Sollen wir versuchen, es rauszukriegen?«
    »Schau dich ein wenig im Laden um. Dann werden wir sehen, ob das Licht schwächer wird.«
    »Einkaufen?« Mein Gott, etwas so Banales und Alltägliches klang auf einmal fremd. Und ausgesprochen angenehm. »Mit Vergnügen.«
    Offenbar holte meine Begeisterung Tens jäh in die Wirklichkeit zurück. »Wir haben nicht viel Platz im Pick-up.«
    »Spielverderber.« Ich streckte ihm die Zunge raus.
    Er lehnte sich an die Wand und blickte bemüht beiläufig zum Fenster hinaus. Mir war klar, dass er jede Person im Raum musterte und Ausschau nach Hinweisen, Antworten und unausgesprochenen Dingen hielt, die uns weiterhelfen würden. Ich stellte fest, dass Custos am Waldrand lag. Obwohl sie beinahe hundert Kilo wog, hatte sie großes Talent dazu, sich einfach unsichtbar zu machen. Die Menschen sahen sie nur, wenn sie sie sehen wollten, und es wusste ja niemand, dass er hinschauen sollte. Ihr gelbliches Fell wies bernsteinfarbene und goldene Flecken auf, ihr Gesicht war eine schwarze Maske, und ein schwarzer Streifen verlief vom Kopf bis zur Schwanzspitze ihre Wirbelsäule entlang. Ihre Barthaare waren schwarz, und ihre Augen glitzerten wie Gold.
    Inzwischen vertrat ich die Theorie, dass Custos nicht einfach nur Wolf oder Hund war, sondern ein Wesen, das die Schöpfer uns geschickt hatten, um uns zu unterstützen. So wie es in dem Brief stand, den meine Mom mir mitgegeben hatte. Beim Gedanken an meine Eltern und meinen kleinen Bruder Sammy zog es mir das Herz zusammen. Alles hatte an meinem sechzehnten Geburtstag angefangen, als sich die Bestimmung einer Fenestra an mir erfüllt hatte. Ich war auf dem Radarschirm der Aternocti erschienen, so dass meine Mom meinem Dad endlich reinen Wein hatte einschenken müssen. Und so war ich von Portland, Oregon, nach Revelation, Colorado, verpflanzt worden, um mein Leben zu retten und zu lernen, was ich wissen musste, damit ich Seelen beim Übergang ins Jenseits helfen konnte. Meine Eltern waren gezwungen gewesen, mit meinem kleinen Bruder zu fliehen, da die Aternocti sie sonst als Druckmittel gegen mich eingesetzt hätten, was sie schließlich auch taten. Ich hatte keine Ahnung, ob ich Sammy je wiedersehen würde, aber ich war meiner Mutter wegen ihrer Lüge noch immer böse. Schließlich war es keine Kleinigkeit, die sie mir verschwiegen hatte. Weil Tote und Sterbende sich magisch von mir angezogen fühlten, hatte mein Vater mich jahrelang für eine Serienmörderin gehalten; Wechselbalg wäre noch untertrieben gewesen. Diese Phase meines Lebens war ein solches Drama gewesen, dass ich lieber gar nicht daran denken wollte. Ich konnte nur hoffen, dass Sammy eines Tages verstehen würde, warum ich ihn verlassen hatte.
    Ich schlenderte umher und schnupperte an Duftkerzen, die rochen wie das gesamte regenbogenbunte Sortiment eines Obststandes. Ich schüttelte Plastikbeutel mit Potpourri, gebündelten Piniennadeln und Zimtstangen. Ich probierte mit funkelnden Strasssteinen besetzte Sonnenbrillen an und stellte sie mir auf Custos’ Schnauze vor, denn zu ihr schienen sie besser zu passen als zu mir. Ich wickelte mir einen Samtschal mit Prägemuster um den Hals und genoss den weichen Stoff. Ich strich mit den Händen über flauschige Kissenbezüge aus Flanell, die mit bunten Frühlingsblumen, Schmetterlingen und Insekten mit gelblichem Hinterleib bedruckt waren, die ich nicht kannte. Dann schloss ich die Augen und wünschte mir ein Bett herbei. Ein richtiges Bett, kein Motelbett, mit richtigen Laken – und dazu ein paar Tage, an denen ich nicht im Pick-up herumfahren musste.
    »Deine Suppe ist fertig«, sagte eine leise Stimme hinter mir.
    Ich bedankte mich bei der Bedienung, entfernte den Schal von meinem Hals und kehrte an unseren Tisch zurück. Während ich durch den Laden gebummelt war, hatten sich die Gäste im fast voll besetzten Gastraum um einige großmütterlich wirkende, mit bestickten Sweatshirts und Velourshosen herausgeputzte Frauen und ein paar wohlhabend aussehende Damen vermehrt.
    Tens hatte bereits eine Schale Suppe vertilgt. »Ich habe sie gebeten, dich eine Weile in Ruhe zu lassen, damit ich einen Vorsprung beim Essen habe.«
    »Ich habe nur zwei Zimmer gesehen. Oben war ich noch nicht. Karotte?« Ich deutete auf die leere Schale, die im nächsten Moment lächelnd weggenommen wurde. Die

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