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Merlin und der Zauberspiegel

Merlin und der Zauberspiegel

Titel: Merlin und der Zauberspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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regneten auf
     uns herunter. Ich spürte, wie der Ballymag sich in der Schlinge zu einem festen Ball zusammenrollte, seine Schwanzreihe zuckte
     ängstlich an meiner Brust. Ein hoher Ast brach ab und krachte durch die Zweigschichten in die Wurzeln zu unseren Füßen.
    Hallia zog heftig an meinem Arm. »Wir müssen laufen, junger Falke. Weg von hier!«
    »Warte«, widersprach ich. »Dieses Geräusch kenne ich. Wir sollten . . .«
    Aber sie war schon davongestürmt. Ich sah, wie ihre Beine in der Bewegung verschwammen; ihr Rücken streckte sich vor; ihr
     Hals hob sich höher. Ihr violettes Gewand verfärbte sich grün, dann glänzte es braun. Muskeln wölbten sich an Rücken und Beinen,
     während ihre Füße und Hände zu Hufen schmolzen.
    Hallia, jetzt ein Hirsch, sprang zwischen die Bäume. Ich beobachtete, wie sie verschwand. Dann fing auch ich an zu laufen
     – nicht weg von dem Dröhnen, sondern darauf zu.

VII
EIN FEURIGES AUGE
    I ch stürmte durch den dunklen Wald und kam dem anschwellenden Dröhnen immer näher. Immerzu schlagend wie ein Donner der Erde
     erschütterte es die hohen Bäume bis hinunter zu den Wurzeln und ließ sie beben und stöhnen. Alle paar Schritte hörte ich das
     Krachen eines fallenden Astes oder eines umgestürzten Baums, dessen Wurzeln sich schließlich losgerissen hatten. Spalten öffneten
     sich im Boden; Wurzeln platzten und brachen; Farnstängel, zierlich wie Libellenflügel, zitterten gemeinsam. Mit Hilfe meines
     Stocks hielt ich das Gleichgewicht. Und trotz der Schreie des Ballymags bei jedem Sprung und Aufprall konzentrierte ich mich
     auf das Dröhnen.
    Denn ich wollte seine Herkunft entdecken.
    Die Bäume wurden spärlicher und ließen mehr Licht auf den Waldboden fallen. Ich drängte mich durch ein Rankennetz mit roten
     Blumen und kam plötzlich ins volle Sonnenlicht.
    Ich stand oben auf einem langen Hang und überblickte die Gegend. Kastanienbraunes Gras wogte in wechselnden Winden und erstreckte
     sich fast bis zum Horizont, in der Ferne verschmolz es mit einer dunklen Linie aufsteigender Dämpfe. Schaudernd erkannte ich
     den großen Sumpf: das verhexte Moor.
    So nah! Der Ballymag hatte also doch Recht gehabt.Aber Hallias Erinnerung an diesen Wald und seine Entfernung vom Moor hätte nicht klarer sein können. War es möglich, dass
     der Sumpf vordrang und sich einen Weg in den Wald bahnte? Und so schnell? Etwas sagte mir, dass das Elend des Waldes in allen
     seinen Formen durch das eindringende Moor kam – genau wie die Würgeschlangen, die Ghule, die jene Familie aus ihrem Dorf vertrieben
     hatten, und die Mächte, die den Ballymag seiner Heimat beraubten. Aber was steckte hinter alledem? War es möglich, dass etwas
     anderes, noch Unheimlicheres als der Sumpf hier sein Unwesen trieb?
    Am Fuß des Hangs beim Moorufer stand ein Gehölz mit riesigen zerzausten Bäumen. Trotz der großen Entfernung hoben sie sich
     scharf von den wabernden Nebeln dahinter ab. Fast so breit wie hoch, schwankten sie merkwürdig, als wären sie in einem unaufhörlichen
     kreisenden Wind gefangen. Dann wurde mir mit einem Mal klar, dass es gar keine Bäume waren. Und dass sie das ständige Dröhnen
     verursachten.
    Denn so überwältigend – nein, so erschreckend – das Geräusch auch war, ich hatte es schon zuvor gehört und nie vergessen.
     Ich kannte seinen donnernden Schlag, seinen immer gleichen Rhythmus. Nichts konnte so die Erde, die Luft und alles dazwischen
     erschüttern. Nichts – als die Schritte der Riesen.
    Ich nahm meinen Mut zusammen und beobachtete, wie die schwerfälligen Gestalten in gleichmäßigem Tempo den Hang heraufmarschierten.
     Sie stiegen bemerkenswert schnell, obwohl sie so kolossal und schwer wie die höchsten Bäume wirkten. Doch mit jeder Sekunde
     wurden ihre Umrisse deutlicher. Mächtige Stämme verwandelten sichin Beine, Bäuche und Brustkästen; gewaltige Äste wurden zu Armen, mit wirren Haaren bedeckt. Auch Hälse, Kinne und Augen waren
     zu unterscheiden – genau wie Nasen, manche so scharf wie Bergspitzen, andere rund wie Steine.
    Einige Riesen trugen fast nichts außer einem struppigen Bart und zottigen Hosen, aus belaubten Zweigen und Rasenstreifen gewoben.
     Andere jedoch waren mit farbenprächtigen Westen und weiten Umhängen bekleidet. Ohrringe aus Mühlsteinen und Wasserrädern baumelten
     zwischen langen Mähnen; an breiten Gürteln hingen mächtige Kriegsbeile und Degen, so groß wie erwachsene Männer. Bei aller
     Unterschiedlichkeit

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