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Merlin und der Zauberspiegel

Merlin und der Zauberspiegel

Titel: Merlin und der Zauberspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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ihrer Aufmachung war ihnen jedoch eins gemeinsam – die enorme Größe.
    Als sie näher kamen, wurden die krachenden Stöße ihrer Schritte lauter. Ich stützte mich auf meinen Stock und erinnerte mich,
     wie ich zu Füßen meines Freundes Shim gestanden und mich gestreckt hatte, um gerade die Spitze einer seiner behaarten Zehen
     zu erreichen. Ich schaute auf meine Füße, die im Vergleich so schmächtig waren. Und ich erinnerte mich an meine glänzenden
     Fußspuren im nassen Sand an dem Tag, an dem mich mein behelfsmäßiges Floß an Fincayras Küste gebracht hatte. Dieser Tag schien
     so lange zurückzuliegen . . . und doch so nah zu sein.
    Ich betrachtete meinen Schatten. Wie ich zitterte er bei jeder neuen dröhnenden Welle, die den Boden erschütterte. Nur noch
     mehr. Er schwankte und fuchtelte wild mit den Armen wie ein verzerrtes Spiegelbild auf dem Wasser eines sturmgepeitschten
     Sees.
    Während ich mich mühte aufrecht stehen zu bleiben,streckte der Ballymag halb den Kopf aus der Schlinge. Als er die näher kommenden Riesen sah, schrie er entsetzt auf. Eine
     seiner Klauen krallte sich an den Halssaum meiner Tunika. Der Ballymag schaute zu mir auf, seine Augen flackerten vor Angst.
    »Wa-wahrhaftiglich«, stotterte er. »D-das sind b-baumhohe donnerstapfende Krachriesen!«
    Ich nickte, während ich beobachtete, wie sie weiter den Hügel heraufzogen.
    »Warum rennv-versteckt sich das Menschmonster nicht?« Er zupfte an meiner Tunika. »Jetztblitzschnell!«
    »Weil«, hob ich meine Stimme über das Dröhnen, »ich mit ihnen reden will.«
    Die Schnurrbarthaare des Ballymags spreizten sich steif wie dürres Gras in alle Richtungen. »Menschmonster! Du solltestkönntest-müsstestwürdest
     nicht . . .« Er wandte sich den näher kommenden Riesen zu. Mit hellem Quietschen wurde er ohnmächtig und rutschte schlaff
     zurück in die Schlinge.
    Ich musterte die zerfurchten Gesichter der Riesen, die mit jeder Sekunde größer wurden. Ihr uraltes Volk, Fincayras erste
     Bevölkerung, hatte ein tiefes Verständnis für das Land und seine Geheimnisse. So kolossal sie auch waren, ich wusste, dass
     ihre scharfen Augen oft Einzelheiten bemerkten, die viele kleinere Geschöpfe übersahen. Manchmal erkannten sie dank ihrer
     Höhe über dem Boden Muster, die andere nicht wahrnehmen konnten. Vielleicht, nur vielleicht konnten sie die plötzliche Ausbreitung
     des Sumpfes erklären – und all das Unheil, das sie verursachte.
    Zweifellos geschah etwas Merkwürdiges im verhexten Moor. Und obwohl ich es noch nicht verstand, wuchsmeine Angst, dass es mehr bedrohte als die unmittelbare Nachbarschaft des Sumpfes. Während ich über die dunklen, wabernden
     Nebel am Rande des Moors nachdachte, berührte ich die aufgescheuerte Haut an meinem Hals. Etwas in diesem Morast, fürchtete
     ich, könnte einen Teil von Fincayras Zukunft abwürgen, wie diese Schlange fast mich erwürgt hatte. Und ein Zauberer – wenigstens
     ein großer Zauberer wie Tuatha – würde alles in seiner Macht Stehende tun, um es zu verhindern.
    Ob mir die Riesen etwas sagen würden, war eine andere Frage. Sie waren scheu und im Allgemeinen nicht bereit ihre Geheimnisse
     zu teilen. Obwohl ich dank Shim einige Zeit mit ihnen verbracht hatte, war ich immer noch ein Außenseiter. Und ein Mensch.
     Und, schlimmer noch, der Sohn des bösen Königs, der sie gnadenlos verfolgt hatte.
    Während die Erde unter mir bebte und mein Herz in der Brust hämmerte, zwang ich mich ruhig zu bleiben. Würde jemand von ihnen
     stehen bleiben, um mich anzuhören? Oder würden sie mich zertrampeln, bevor ich meine Fragen stellen konnte? Dann trug mir
     ein ferner Wind der Erinnerung wieder die Worte einer Freundin zu, die mir bei meinem ersten Besuch in Varigal, der alten
     Steinstadt der Riesen, zugeflüstert hatte:
Eines Tages, Merlin, wirst du entdecken, dass das leichteste Zittern eines Schmetterlingsflügels so mächtig sein kann wie
     ein Erdbeben, das Berge bewegt.
Aber ich hatte keine Ahnung, ob heute dieser Tag war.
    Die mächtigen Schatten fielen auf mich. Ängstlich erinnerte ich mich daran, dass Riesen im Grunde friedlich waren. Wenigstens
     meistens. Ein Riese von Fincayra konnteeinen Baum mit einem Schlag umhauen, einen See in Minuten leer trinken oder einen Stein mit Leichtigkeit zermalmen. Einmal
     hatte ich gesehen, wie eine kräftige Riesin einen Felsbrocken hob, den höchstens fünfzig Männer meiner Größe von der Stelle
     bewegt hätten; sie hatte ihn

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