Merlin und der Zauberspiegel
Dämpfen wie vom Land. Langsam wurde er intensiver, kratzender – und lauter.
Und mit ihm, obwohl ich mich vielleicht täuschte, kam der flüchtigste Duft nach etwas Süßem. So süß wie Rosenblüten.
Plötzlich brach aus den dunkler werdenden Wolken ein Schwarm riesiger Käfer, jeder so groß wie mein Kopf. Ich hatte kaum genug
Zeit, meinen Stock zu ziehen, bevor sie sich herabstürzten. Gezackte, durchsichtige Flügel durchschnitten die Luft, während
scharfe Krallen unsere nackte Haut zerkratzten. Die Käfer griffen uns aus jeder Richtung an und brummten so laut, dass ich
kaum meine eigenen Gedanken hören konnte.
Ich schlug wild mit meinem Stock um mich und schaffte es, einen zu zerschmettern, als er auf mein Gesicht zuflog. Sein purpurroter
Panzer schimmerte dunkel und flog entzwei, während der Käfer in den Morast fiel. Doch kaum hatte ich wieder den Stock gehoben,
da surrten drei weitere auf mich los und krallten nach meinen Händen und Augen.
Hallia schrie und fiel rücklings gegen den Baum. Zwei Käfer flitzten um ihre abwehrenden Arme, suchten einen Weg zu ihrem
Gesicht. Ich wandte mich von meinen Angreifern ab und schwang den Stock. Ich spürte einen Aufschlag – und einer der Käfer
trudelte in den Sumpf. Aber für Triumph war keine Gelegenheit. Im Bruchteil einer Sekunde würde der andere Käfer durchbrechen.
Und ich hatte keine Zeit für einen weiteren Schlag!
Der Käfer schoss auf Hallia zu. Seine Flügel streiften ihren Unterarm, zerschnitten die Haut. Blut schoss hervor. Sie riss
den Arm zurück und ließ das halbe Gesicht unbedeckt. Der Käfer wendete scharf und flog direkt auf ihre Augen zu.
Plötzlich hörte ich ein hohes Zischen. Dann ein Aufklatschen – und der Käfer zerschellte in der Luft, nur um Haaresbreite
von Hallias Gesicht entfernt. Violette Schalensplitter schwebten hinunter ins Sumpfgras. Ich fuhr herum und sah Ector, der
eine primitive Steinschleuder hielt. Seine Augen leuchteten.
»Vorsicht!«, schrie er.
Scharfe Käferkrallen zerkratzten mein Ohr. Ich schrie auf und holte mit der Hand aus. Der Schlag saß, der Käfer wurde weggeschleudert
– direkt auf meine Brust. Mit zornigem Brummen wölbte er den Rücken und entblößte einen riesigen Stachel mit Widerhaken. Der
Stachel war so groß wie meine Faust, er hob sich, zum Stich bereit.
Im selben Moment schwärmten mehrere andere Käfer auf mich zu. Kamen näher, stachen nach meinem Gesicht. Verzweifelt wandte
ich mich an meine tiefste Kraftquelle: den Ort der größten Ruhe, selbst unter einem solchen Angriff; die ursprünglichste,
geheimnisvollste, den Elementen nächste Stelle.
Ihr Lüfte!,
rief ich und bot meinen ganzen Willen auf.
Schlagt sie in die Flucht! Scheucht sie weg! Weit weg von hier!
Ein plötzlicher Windstoß peitschte die Luft. Hektisch brummend kämpften die Käfer gegen den wirbelnden Wind. Ihre Flügel schwirrten,
ihre Krallen schnitten, aber vergebens. Der Wind war viel zu stark und riss sie von unseren zusammengekauerten Körpern weg.
Der Käfer auf meiner Brust klammerte sich an meine Tunika und widerstand den Bruchteil einer Sekunde länger als die Übrigen.
Und in diesem Moment stieß er seinen Stachel gegen meine Rippen. In Erwartung des Stichs zuckte ich zusammen, aber zu meinem
Schreck – und zu meiner Erleichterung – verharrte der Stachel direkt über der Tunika. Von seiner dornigen Spitze floss eine
dünne goldene Linie, zart wie ein Spinnfaden. Aufblitzend dehnte sich der Faden und rollte sich zu einer Schlinge. Dann schmolz
die Schlinge so rasch, wie sie aufgetaucht war, in die Falten meiner Tunika. Ich spürte nichts. Es war so schnell geschehen,
dass ich mir eigentlich gar nicht sicher war, was ich gesehen hatte.
Mit wütendem Heulen riss der Wind den Käfer von meiner flatternden Tunika. Luftwirbel trugen den Angreifer mit dem Rest des
Schwarms in einer rasenden Wolke über den Sumpf. Auf dem Rücken fliegend, mit ausgebreiteten Flügeln oder übereinander geworfen,
verschwanden die Käfer im Dunst. Ihr Brummen war bald völlig verklungen.
Ich fühlte mich plötzlich schwach. Meine Beine gaben nach und ich fiel in einen flachen Tümpel. Sumpfgras stach mir ins Gesicht,
aber mir fehlte die Kraft, es wegzuschieben. Ich konnte nur noch sitzen bleiben.
Hallia lief herüber und legte mir die Hand an die Stirn. »Bist du verletzt?«
»Nicht . . . ernsthaft. Ich – ich fühle mich nur . . . schwach.«
»Es muss dich alle Kraft
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