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Merlin und der Zauberspiegel

Merlin und der Zauberspiegel

Titel: Merlin und der Zauberspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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den Korken heraus und hielt es mir hin. Ein stechender, leicht
     brenzliger Geruch stieg in die Luft. Hallia streckte erschrocken den Arm aus, um Ector zurückzuhalten. Einen atemlosen Moment
     lang schaute sie ihn fest an.
    »Es ist ein Elixier«, erklärte er. »Mein Meister hat es mir gegeben für den Fall, dass ich bei diesem, äh, Auftrag verletzt
     werden würde. Er sagte, ich sollte es nur in der größtenGefahr anwenden – und warnte mich, dass es eine böse Wunde nicht direkt heilen kann. Aber es würde Zeit gewinnen. Vielleicht
     genug Zeit, um richtige Heilung zu finden.«
    Hallia knirschte mit den Zähnen. »Und wenn es nicht hilft?«
    »Dann schadet es auch nicht.«
    Wieder durchfuhr mich ein Schmerzanfall. Stöhnend griff ich mir an die Brust.
    »Bitte«, drängte Ector. »Trink etwas davon. Es könnte helfen.«
    Ich schaute in sein ernstes Gesicht. Selbst in der zunehmenden Dunkelheit strahlte jugendliche Leidenschaft aus seinen Augen.
     »Nein, nein. Das kann ich nicht. Und wenn du es später brauchst . . . für dich?«
    Er antwortete fest: »Ich finde, es sollte verwendet werden, wenn es am dringendsten gebraucht wird.«
    Endlich senkte Hallia den Arm. Der Junge kniete sich in den seichten Tümpel und legte das Fläschlein an meine Lippen. Diesmal
     protestierte ich nicht. Sehr langsam flößte er mir die burgunderrote Flüssigkeit ein. Sie schmeckte wie Holzkohle von einem
     alten Feuer. Aber ich schluckte, auch wenn ich das Gesicht verzog. In ein paar Sekunden war das Fläschlein völlig leer.
    Schon als Ector die Hand zurückzog, durchfuhr mich eine köstliche Erregung wie beim ersten Atemzug frischer Morgenluft. Sie
     dehnte sich in meiner Brust nach außen und oben aus und erfüllte mich mit neuer, pulsierender Wärme. Das Gefühl verbreitete
     sich rasch im ganzen Körper. Ich fühlte mich leichter – und kräftiger zugleich. Frische Blutströme rannen mir durch die Glieder.
     Ich balltedie Fäuste und spürte, wie die frühere Kraft in sie zurückkehrte.
    Hallia lächelte und wischte sich die Augen. Sie umschlang meinen Kopf und drückte ihn fest an sich. Dann lockerte sie die
     Umarmung und wandte sich an Ector. »Wir sind dankbar«, war alles, was sie herausbrachte.
    »Sehr dankbar«, setzte ich hinzu.
    Der Junge grinste scheu. »Nimm es als Entschuldigung für das, was ich dir zuvor angetan habe.«
    Ich griff nach meinem Stock, der halb im Schlamm versunken war. Mit einem Ruck zog ich ihn heraus, obwohl jetzt ein dicker
     Regenwurm auf seinem oberen Ende lag. Ich schüttelte den Wurm ab, fasste den knorrigen Griff und kam mühsam auf die Füße.
    Dann wandte ich mich an Ector. »Die Entschuldigung ist angenommen.«
    »Wie lange«, fragte Hallia, »wird die Wirkung des Elixiers anhalten?«
    Ector sah besorgt aus. »Ich weiß es nicht, aber ich habe das Gefühl, dass es nicht sehr lange ist.«
    Hallia nahm meine Hand und schaute mich forschend an. »Das ist deine Chance, junger Falke, dich zu retten. Komm. Lass dein
     Schwert bis später. Wenn wir Glück haben, finden wir den Weg aus diesem Moor, bevor die Chance vorbei ist.«
    Ich schaute hinunter auf die leere Scheide. Selbst in dem trüben Licht glitzerten die violetten Edelsteine. Es war die Scheide
     eines magischen Schwerts, des Schwerts eines Zauberers – und eines Königs.
Eines Königs, dessen Regierungszeit noch in den Herzen leben wird, wenn sie im Lande längst vergangen ist.
    »Nein.« Ich fasste ihre Hand fester. »Das kann ich nicht. Besonders jetzt nicht. Hallia, in diesem Moor geschieht etwas Böses,
     sehr Böses. Schlimmer als alles, was sich bisher ereignet hat. Und was mit meinem Schwert geschah, ist nur ein Teil davon.
     Ich sehe das jetzt so klar, wie ich dein Gesicht sehe. Was es wirklich ist, kann ich nicht genau benennen, aber ich habe das
     merkwürdige Gefühl, dass es etwas ist, dem ich schon irgendwo zuvor begegnet bin.«
    Sie zog ihre Hand weg. »Du kannst nicht viel ausrichten, wenn du tot bist! Wenn wir es nur bis zu Cairpré schaffen – oder
     zu deiner Mutter, der Heilerin   –, können sie dich vielleicht noch retten. Dann kannst du hierher zurückkommen, wenn du willst.«
    »Dann ist es vielleicht zu spät.«
    Sie kniff die Augen zusammen. »Wessen Erwartungen versuchst du zu erfüllen, junger Falke?«
    Ich holte tief Atem. »Meine eigenen.«
    Sie schaute mich finster an, die Augen voller Zweifel.
    Ich stützte mich auf meinen Stock und überblickte den dampfenden Verfall ringsum. Und ich bemerkte

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