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Merlin und der Zauberspiegel

Merlin und der Zauberspiegel

Titel: Merlin und der Zauberspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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widersprach ich. »Wegen meiner Torheit wirst du – und deshalb ich – in dieser
     Höhle ewig gefangen sein.«
    Der Alte bedachte meine Worte einen Augenblick, bevor er sagte. »Du hast eine Bestimmung, mein Junge. Das ist richtig. Aber
     du hast auch Wahlmöglichkeiten. Ja – und Wahlmöglichkeiten sind nichts weniger als Schöpfungsmacht. Durch sie kannst du dein
     eigenes Leben erschaffen, deine eigene Zukunft, deine eigene Bestimmung.«
    Ich schaute ihn nur ungläubig an.
    Nachdenklich zerrieb er ein paar Blätter zwischen Daumen und Zeigefinger. Zugleich schienen die Harfensaiten etwas schneller
     gezupft zu werden, ihre Klänge hallten mit einem leichteren Rhythmus von den Wänden wider.
    »Durch deine Entscheidungen«, fuhr der Alte fort, »könntest du sogar eine ganz neue Welt erschaffen, eine, die aus den Ruinen
     der alten entsteht.« Er lächelte geheimnisvollin sich hinein, als wüsste er mehr, als er enthüllte. »Es gibt einen Dichter namens Tennyson aus einer Zeit, die noch kommt,
     der eine solche Welt beschreibt. Sie heißt Avalon. Das ist ein Land, sagt er,
    Wo weder Hagel fällt noch Regen oder Schnee,
    Wo selbst der Wind nie laut bläst; doch es liegt
    In Matten eingebettet, glücklich, schön, mit Bäumen auf den Wiesen
    Und Schattensenken, sommermeergekrönt.«
    Die Worte wirkten auf mich wie ein warmer Sommerregen, doch ich brachte es immer noch nicht über mich, ihm zu glauben. »Ich
     kann noch nicht einmal meinen kümmerlichen Schatten bewegen, so sehr ich mich auch anstrenge. Wie können dann meine Entscheidungen
     die Außenwelt wirklich beeinflussen?«
    »Nun«, sagte der Magier seufzend und betrachtete die Äste, die ihn trugen. »Was deinen Schatten angeht, so könntest du aufhören
     dich anzustrengen und einfach anfangen zu sein.«
    »Sein? Was sein?«
    »Und was deine Entscheidungen angeht«, fuhr er fort, »so hast du die Welt mit ihnen bereits beeinflusst. Unauslöschlich, könnte
     ich hinzufügen. Überlege doch, Junge! In deiner kurzen Zeit auf Fincayra – wie lange war das? Drei Jahre? – hast du die Riesen
     dazu gebracht, ihr Versteck zu verlassen, eine neue Art des Sehens entdeckt, ein ganzes Schloss zum Einsturz gebracht, das
     Rätsel eines Orakels gelöst, diese hinterhältigen Bestien besiegt, die Magie vernichten, den Geist deiner Schwester in dich
     aufgenommen,einen verletzten Drachen geheilt und noch vieles mehr. Und das ist erst der Anfang! Du bist (wenn ich mich recht erinnere)
     ein Hirsch geworden, ein Stein, ein gefiederter Falke, ein Baum, ein Windstoß – und sogar ein Fisch.«
    Er hielt inne und schaute zu Artus hinüber, der gerade einen Obstkuchen verzehrt hatte und sich dem nächsten zuwandte. »Ein
     Fisch«, murmelte er vor sich hin. »Ja, ja, das könnte genau das Richtige für ihn sein in diesem Stadium.«
    Dann richtete er die strahlenden Augen wieder auf mich. »Du hast Wahlmöglichkeiten, mein Junge. Und damit Macht. Unschätzbare
     Macht.«
    Unwillkürlich spürte ich, wie irgendwo tief in mir neuer Mut aufglomm. Hatte ich wirklich alle diese Dinge getan? Obwohl ich
     wusste, dass Nimues Hinterlist mich besiegt hatte, für immer, wie es schien, fühlte ich mich jetzt merkwürdig verändert. Irgendwie
     stärker. Ich verlagerte mein Gewicht und saß ein bisschen aufrechter auf dem Hocker.
    Dann überflutete mich eine Welle des Zweifels. »Mag sein, ich habe diese Dinge auf Fincayra getan. Aber . . . was ist mit
     hier? Diesem Ort namens Gramarye? Das ist das Land, das du retten wolltest – aber jetzt kannst du es nicht.«
    Während der alte Magier mich betrachtete, schienen die Kristalle an den Wänden und der Decke ein wenig heller zu leuchten.
     »Was immer mir geschieht oder dir, mein Junge, wir werden diesen Ort, diese Insel für immer verändert haben, genau wie du
     für immer diese Insel verändert hast, die jetzt deine Heimat ist. Ganz gewiss! Ich habe sogargehört, dass manche Menschen sie nicht mehr Gramarye nennen – und auch nicht Britannien, wie der moderne Begriff heißt   –, sondern lieber Merlins Insel sagen.«
    Fast unmerklich lächelte er. »Du bezweifelst das? Dann höre diese Worte, geschrieben von einem Dichter namens White, der erst
     in mehr als tausend Jahren geboren werden wird:
    Anders sind dort Wälder, Wiesen,
    Wasser, Luft, der Fels, die Erde,
    Auf Merlins Insel Gramarye,
    Auf der ich mit dir leben werde.«
    Er deutete mit einem knotigen Finger zum anderen Ende der Höhle. Aus der Tiefe schwebte eine kleine

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