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Merlin und der Zauberspiegel

Merlin und der Zauberspiegel

Titel: Merlin und der Zauberspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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gerade aus den Wurzeln, bevor er scharf zur Seite bog.
     Dann, nach einem kurzen waagrechten Stück, wuchs er wieder senkrecht und streckte die belaubten Äste zur Decke. Mein alter
     Gefährte stieß einen Seufzer aus, während er sich auf den horizontalen Teil setzte und an ein paar Äste lehnte. Seine Füße
     schwangen knapp über dem Boden.
    »Ah«, sagte er nachdenklich, »ich habe schon immer gern in Bäumen gesessen.«
    »Ich auch«, antwortete ich, »aber normalerweise nicht im Haus.«
    Ohne auf meine Bemerkung einzugehen legte er die Hand auf die glatte, graue Rinde. »Und Buchen machen mich irgendwie immer
     friedlicher.« Seine Stimme wurde etwas leiser, genau wie die Harfenmusik, die weiter in der Höhle erklang. »Solche Dinge sind
     heutzutage immer hilfreicher.«
    »Erzähl mir«, ich trat näher heran, »was mit dir – mit uns – geschehen ist?«
    »Gleich, mein Junge, aber zuerst solltest du dich auch setzen.« Er runzelte die Stirn. »Es ist hier allerdings wirklich kein
     Platz für zwei Sessel dieser Art. Eine Sache der Bodenfläche, was was? Ah, dort ist die Lösung!« Er deutete auf die leeren
     Hocker neben Artus, der gerade einen weiteren Hähnchenschlegel vertilgte und nichts außer den Leckereien vor sich wahrnahm.
     »Hol einen herüber, sei so gut.«
    Ich wollte gerade gehorchen, als zu meinem größten Erstaunen ein anderer den Hocker holte. Der Schatten des Magiers! Die große
     Gestalt, hoch und breit wie der Baum, glitt über die Wand der Kristallhöhle und über den Boden zum Esstisch. Geräuschlos hob
     sie den Hocker, trug ihn durch die Luft und stellte ihn neben mich – direkt auf meinen eigenen, sich windenden Schatten, wie
     ich erfreut feststellte.
    Als der riesige Schatten sich wieder neben seinem Herrn in den Ästen niederließ, nickte der Zauberer beifällig. »Danke, alter
     Freund.«
    Alter Freund.
Dieser Teil meiner Zukunft würde, befürchtete ich, sicher anders aussehen! Und doch . . . ichschaute auf meinen kleinen Schatten herunter, der angestrengt versuchte sich von dem Hocker zu befreien, und überlegte. Könnte
     es möglich sein? Obwohl ich sicher war, dass die Antwort nein hieß, nahm ich den Hocker und stellte ihn etwas zur Seite, gerade
     weit genug, dass er den Schatten nicht mehr festhielt. Wie erwartet bekam ich kein Zeichen des Dankes – nur einen unverschämten
     Tritt.
    Der Alte hatte mich beobachtet. »Wie hast du es geschafft, dass dein Schatten sich so gut benimmt?«, fragte ich. »Meinen würde
     ich gern für einen wie deinen tauschen.«
    Er schüttelte den Kopf, dass die langen weißen Haare im Licht der Kristalle schimmerten. »Er ist ein Teil von dir, mein Junge,
     wie die Nacht ein Teil des Tages ist.«
    »Ich wollte, er wäre es nicht«, knurrte ich und setzte mich auf den Hocker. »Jetzt erzähl, bitte. Was hat dich veranlasst
     Artus in dieses Moor zurückzuschicken? Nach seiner Schilderung warst du gefangen, sehr wahrscheinlich in Todesgefahr! Doch
     hier bist du in deiner eigenen Kristallhöhle.«
    Ernst sah er mich an. »Das alles ist wahr, unbestreitbar wahr.«
    »Aber diese Höhle, so voller Kostbarkeiten . . .«
    »Ist zugleich mein Gefängnis.« Er fuhr mit der Hand über den glatten Baumstamm und tat einen tiefen Atemzug. »Es ist diese
     Hexe Nimue, fürchte ich. Mit List und Tücke hat sie mich dazu gebracht, ihr meine wirksamsten Zaubersprüche zu verraten. Dann
     hat sie die Kraft dieser Höhle benutzt, um ihre eigene zu steigern, und diese Zaubersprüche gegen mich verwandt, so dass ich
     für immer hier eingesperrt bin.«
    Für immer.
Die Worte stürzten auf mich wie Steine. »Du sitzt also hoffnungslos in der Falle?«
    Er schloss die Augen. »So ist es.«
    »Diese Nimue!«, rief ich. »Wie qualvoll muss das für dich sein.«
    »Umso mehr wegen der wichtigen Arbeit, die jenseits dieser Wände zu tun bleibt.«
    Lange hingen seine Worte in der Luft. Dann öffnete er die Augen wieder und bemerkte etwas über seinem Kopf. Neugierig hob
     er die Hand zu dem schlanken braunen Gegenstand, der von einem Ast hing. Ein Kokon! Trotz seiner Sorgen schien der Zauberer
     in tiefe Konzentration versunken. Als der Kokon leicht unter seiner Berührung zitterte, nickte er und sah nicht mehr ganz
     so grimmig aus.
    Er ließ die Hand sinken und wandte sich wieder mir zu. »Eins hat sie aber vergessen, etwas sehr Wichtiges. Den Spiegel! Ich
     kann immer noch seine Pfade, die Zeitnebel, benutzen, um andere zu mir zu holen oder sie an andere Orte zu

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