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Merlin und die Feuerproben

Merlin und die Feuerproben

Titel: Merlin und die Feuerproben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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unserer Not. Unheil trifft das Land Urnaldas, das Land der Zwerge! Du musst jetzt
     kommen.« Ihre Stimme sank zu einem Murmeln. »Und du musst allein kommen.«
    Meine Mutter umklammerte meinen Arm. »Das kann er nicht. Das wird er nicht tun.«
    »Still, Frau!« Der Psalter verdrehte sich so heftig, dass er in einem Funkenregen entzweibrach. Doch beide Hälften blieben
     in der Luft, sie schwebten direkt über unseren Köpfen. »Der Junge weiß, dass ich ihn nicht rufen würde, wenn es nicht an der
     Zeit sein. Er sein der Einzige, der mein Volk retten kann.«
    Ich schüttelte die Hand meiner Mutter ab. »Der Einzige? Warum?«
    Urnalda schaute noch grimmiger. »Das werde ich dir sagen, wenn du hier an meiner Seite sein. Aber beeile dich! Zeit sein knapp,
     sehr knapp.« Die Zauberin schwieg einen Moment und wählte mit Bedacht ihre Worte. »So viel aber will ich dir sagen. Mein Volk
     sein heute angegriffen wie nie zuvor.«
    »Von wem?«
    »Von einem, der lange vergessen sein – bis heute.« Noch mehr Flammen sprangen vom Psalterrand. Das brennende Holz knatterte
     und zischte so laut, dass es fast ihre Worte übertönte. »Der Drache Valdearg schläft nicht mehr! Sein Feuer sein entfacht,
     genau wie sein Zorn. Ich sage die Wahrheit, oh ja! Fincayras dunkelster Tag sein gekommen.«
    Ich schauderte noch, da verschwanden die Flammen plötzlich. Die verkohlten Reste meines Instruments wirbelten noch einen Moment
     in der Luft, dann fielen sie ingewundenen Rauchfahnen zwischen Gras und Laub. Wir traten alle zurück, um nicht von ihnen getroffen zu werden.
    Ich drehte mich nach Cairpré um. Sein Gesicht war hart geworden wie ein zerklüfteter Felsen, doch es zeigte die schattigen
     Furchen der Angst. Er zog die wirren Augenbrauen hoch, während er Urnaldas letzte Worte wiederholte:
»Fincayras dunkelster Tag sein gekommen.«
    »Mein Sohn«, flüsterte Elen heiser, »du musst ihre Forderung nicht erfüllen. Bleib hier bei uns im Drumawald, wo es sicher
     ist.«
    Cairpré kniff die Augen zusammen. »Wenn Valdearg wirklich erwacht ist, dann ist keiner von uns sicher.« Grimmig fügte er hinzu:
     »Und wir haben schlimmere Sorgen, als selbst Urnalda weiß.«
    Ich stampfte mit dem Stiefel auf glühende Kohlenstücke. »Was meinst du damit?«
    »Das Gedicht
Der Drachenkampf
. Habe ich dir meine Aufzeichnung nicht gezeigt? Über zehn Jahre habe ich gebraucht, um die Teile zusammenzusetzen und die
     Lücken zu füllen – wenigstens die meisten. Hagelschlag und Hexenschuss! Ich wollte es dir zeigen, aber nicht so bald. Nicht
     so!«
    Mein Blick fiel auf die Reste meines Psalters, nichts als zerbrochene Holzkohlestückchen und geschwärzte Saiten zwischen den
     Blättern im Gras. Bei einer Ebereschenwurzel sah ich einen Teil des Stegs aus Eichenholz. Daran hing immer noch ein Stückchen
     Saite – die kleinste von allen.
    Ich bückte mich danach. So steif, so leblos! Gar nicht wie das biegsame Band, das ich noch vor ein paar Minuten inder Hand gehalten hatte. Wenn ich jetzt versuchen würde sie zu biegen, würde sie bestimmt in meinen Fingern zerbrechen.
    Ich hob den Kopf. »Cairpré?«
    »Ja, mein Junge?«
    »Erzähl mir von dem Gedicht.«
    Er stieß einen langen, pfeifenden Atemzug aus. »Ich fürchte, es ist voller Lücken und Unklarheiten. Aber es ist alles, was
     wir haben. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob ich mehr als die letzten paar Zeilen weiß. Und du wirst mehr wissen müssen,
     viel mehr, wenn du tatsächlich dem Drachen gegenübertreten willst.«
    Am Rand meines Gesichtsfelds sah ich, wie meine Mutter erstarrte. »Sprich weiter«, drängte ich.
    Cairpré gab sich Mühe, nicht zu ihr hinzuschauen. Er räusperte sich und deutete mit einer abrupten Handbewegung auf die fernen,
     nebelverhangenen Hügel. »Weit, weit im Norden, noch hinter dem Reich der Zwerge, sind die entlegensten Gebiete dieser Insel
     – die verlorenen Länder. Jetzt sind sie versengt und stinken nach Tod, aber einst gediehen sie so üppig wie dieser Wald. Fruchtbeladene
     Sträucher, grüne Wiesen, alte Bäume   … bis Valdearg, der letzte Herrscher der Drachen, einfiel. Weil die Bewohner der verlorenen Länder unbesonnen seine Gefährtin
     getötet hatten – und nach den meisten Berichten auch ihren einzigen Nachkommen   –, stürzte er sich mit dem Zorn von tausend Stürmen auf diese Leute. Er quälte, plünderte, zerstörte und ließ nichts Lebendiges
     zurück. Er wurde für alle Zeit Feuerflügel.«
    Cairpré schwieg einen

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