Merlin und die Feuerproben
nicht getötet, als er die Möglichkeit
dazu hatte?«
Der Dichter fuhr sich mit beiden Händen langsam durch die Haare. »Ich weiß es nicht. So wenig, wie ich weiß, was die Prophezeiung
mit den gestorbenen Träumen des Drachen meint. Oder mit der Luft, die zu Wasser wird, und dem Wasser, das sich mit Feuer vermengt.«
Mit Mühe wandte er den Blick von Elen und schaute mich an. »Doch manches erscheint einfach. Zu einfach. Es deutet, fürchte
ich, auf dich als Valdeargs Gegner – und als den Einzigen, der ihn daran hindern kann, fast ganz Fincayra in Asche zu legen.
Denn wenn er einmal angefangen hat, wird er sich nicht damit begnügen, das Zwergenreich auszulöschen oder sogar diesen Wald.
Er wird danach dürsten, alles, was er kann, zu zerstören. Und deshalb, Merlin, kann es sehr wohl deine Rolle sein, dich dem
Drachenentgegenzustellen, genau wie dein Großvater es im Kampf der hellen Flammen tat. Aber diesmal wird der Ausgang ein anderer
sein. Diesmal … werdet ihr beide sterben.«
Er schluckte. »Jeder Barde, den ich kenne, versteht, wie wichtig dieses Gedicht ist. Deshalb habe ich so viele Jahre damit
verbracht, es aufzuzeichnen und zu versuchen es zusammenzutragen. Über vieles lässt sich streiten, aber niemand – gar niemand
– ist anderer Meinung über den Ausgang des Kampfs.
Der Drache sieht nie mehr am Himmel das Rot, sein Gegner am Boden ist stumm und tot.
Wer den Drachen bezwingt, wird ebenfalls sterben.«
Rhia musterte ihn aufmerksam, während sie eine lose Ranke wieder in ihren Ärmel steckte. »Aber da ist noch etwas, nicht wahr?
Etwas, worin die anderen Barden nicht mit dir übereinstimmen?«
Er bekam einen roten Kopf. »Wie deine Mutter siehst du direkt durch meine Haut.« Er deutete auf die Kugel an ihrem Webgürtel,
in der schwach ein oranges Licht leuchtete. »Vielleicht hat dir Merlin deshalb den Feuerball gegeben.«
Nachdenklich streichelte Rhia den Ball. »Die Wahrheit ist, dass ich immer noch nicht genau weiß, warum er ihn mir gegeben
hat.« Sie sah mich an. »Obwohl ich dafür dankbar bin. Aber das tut jetzt nichts zur Sache. Sag uns den Rest.«
Der Wind wurde stärker, er rüttelte an den Zweigen über uns, wie ein Krieger mit Schwert und Schild rasselt. Das Laub zu unseren
Füßen raschelte, während weitere Blätter, Zweige und Rindenstückchen zu Boden wirbelten. Ich spürte einen Hauch von Winterkälte
in der Luft, obwohl meine Finger noch von der Hitze meines brennenden Psalters schmerzten.
Cairpré wischte sich einen Zweig vom Ohr. »Ich bin mir überhaupt nicht sicher, aber ich glaube, der Schlüssel zu der Prophezeiung
liegt in diesem geheimnisvollen Hinweis am Ende:
eine höhere Macht.
Was immer das bedeutet, es muss etwas Stärkeres sein als der Drache. Und stärker als …«
»Ich. Als jemand, dessen magisches Instrument nie einen einzigen Ton gespielt hat.«
»Ich weiß, mein Junge.« Er betrachtete mich besorgt. »Aber trotzdem, diese Macht könnte etwas sein, was du dennoch beherrschst.
Und wenn das möglich wäre, könntest du sie vielleicht irgendwie nutzen, um den Drachen zu besiegen.«
»Was ist es?«, fragte ich. »Was könnte stärker als ein Drache sein?«
»Hagelschlag und Hexenschuss, Junge! Ich wollte, ich wüsste es.«
Rhia schlug sich auf den Schenkel. »Vielleicht ist es der Galator! Schließlich wissen wir, dass er schon zuvor geholfen hat.«
Ich winkte ab. »Selbst wenn du Recht hast, habe ich keine Zeit für den Versuch, ihn zurückzuholen. Er ist auf der entgegengesetzten
Seite der Insel. Und Urnalda braucht sofort Hilfe! Es wird sowieso mehrere Tage dauern, bis ich an der Grenze ihres Reiches
bin. Wenn ich nur das Springen so gut beherrschen würde, dass es mich hinbringen könnte … Aber ich kann es nicht.« Ich rollte die geschwärzte Saite zwischen den Fingern. »Und jetzt werde ich es wahrscheinlich nie
lernen.«
Ernst schüttelte ich den Kopf. »Nein, wir wollen lieber hoffen, dass mit dieser höheren Macht etwas anderesgemeint ist als der Galator. Und dass ich sie irgendwie finden kann.«
Meine Mutter protestierte wieder, jetzt mit schwacher Stimme. »Aber du hast noch nicht einmal einen Plan.«
»Das ist bei ihm nicht ungewöhnlich«, sagte Rhia. »Er wird versuchen einen zu improvisieren.«
»Dann mache ich mir einen eigenen Plan«, entgegnete Elen entschieden. »Zu beten. Und nicht zu trauern, bevor ich muss.«
Cairpré seufzte tief. »Willst du das wirklich machen, Merlin?
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