Merlin und die Feuerproben
Lächeln des Kriegers auf uns zurasen. Mein Herz hämmerte gegen meine Rippen. Ich
machte einenzögernden Schritt, dann einen zweiten. Die Menge tobte vor Wut.
Die Beine gaben unter mir nach. Ich fiel auf die Knie. Hallia stürzte und schlug mit lautem Stöhnen auf den Boden. Einen Moment
bevor der Triumphwagen uns unter seinen Rädern zerquetschte, drehte ich den Kopf. Instinktiv warf ich mich vor Hallia.
Da löste sich der Triumphwagen in Luft auf. Ebenso das Amphitheater, die Menge, das Gebrüll. Alles, was blieb, waren die Steine,
der schwarze Hengst und der Krieger. Unheimliche blaue Lichter flackerten an den Rändern des Raums, falls das wirklich ein
Raum war, doch mehr konnte ich nicht sehen. Keine Wände, keine Decke. Nur Finsternis, von den tanzenden blauen Lichtern am
Horizont schwach erhellt.
Der Krieger kam herüber, eine Hand in den glänzenden Brustharnisch geschoben, in der anderen die Peitsche. Er grinste auf
uns herunter und lachte gackernd, offensichtlich war er zufrieden. Dann begann auch er sich erstaunlich zu verändern. Sein
bärtiges Gesicht wurde breiter und glatter, alle Haare verschwanden. Zwei dreieckige Ohren wuchsen ihm, eine runzlige Warze
spross mitten auf der hohen Stirn. Über den kahlen Schädel liefen Falten wie Furchen auf einem Acker. Zwei uralte Augen, schwärzer
als meine eigenen, schauten mich an. Nur das Grinsen des Kriegers war geblieben, auch wenn es jetzt durch schiefe, hässliche
Zähne verunstaltet war.
»Domnu!«, keuchte ich heiser, meine Kehle war plötzlich trocken.
»So eine Freude, dich wieder zu sehen, mein Schatz!«Sie patschte auf ihr sackähnliches Gewand und begann uns zu umkreisen, wobei ihre nackten Füße auf die Steine klatschten.
»Und du hast mir eine so glänzende Gelegenheit gegeben, diesen Triumphwagen zu fahren! Die Menschen haben alles in allem keine
sonderlich guten Einfälle. Aber diese Römer hatten da mal einen guten.«
Sie schwieg einen Moment und kratzte die Warze auf ihrer Stirn. »Oder waren es die Gälen? Die Pikten? Egal – jedenfalls Menschen,
von welcher Sorte auch immer. Eine ungewöhnlich gute Idee hatten sie da. Selbst wenn es ihnen an Fantasie fehlte, etwas Aufregenderes
daraus zu machen.«
Der schwarze Hengst stampfte mit dem Huf und wieherte laut. Domnu blieb stehen und betrachtete das mächtige Ross. Die Spitzen
ihrer Zähne wurden sichtbar, als sie breiter grinste. Dann sagte sie leiser und noch bedrohlicher: »Bist du anderer Meinung,
mein Fohlen? War die Aufregung zu viel für dich?«
Sie kam näher und fuhr dem Hengst langsam mit der Hand über die Nase. Er zitterte leicht, hielt aber weiter den Kopf hoch.
»Vielleicht wärst du lieber wieder eine Schachfigur?«
Sofort fiel mir die Schachfigur eines schwarzen Pferdes ein, die ich bei meinem ersten Besuch in Domnus Lager gesehen hatte.
Es hatte schon damals Charakter gezeigt, genau wie jetzt. Und es erinnerte mich vage an dieses Pferd … diesen Hengst. Wie hieß er noch? Ich biss mir auf die Lippe und dachte an jene Tage vor langer Zeit, als ich die starken
Arme meines Vaters um mich gespürt hatte und der noch stärkere Rücken uns trug, während wir über das Schlossgelände ritten.
Was ich auch sonst vergessenhatte, den tänzelnden Schritt des Hengstes, seine würdevolle Art würde ich nie vergessen. Und wie er mir Äpfel aus der Hand
fraß.
Während Domnu weiter mit dem Hengst sprach, bewegte sich Hallia neben mir und öffnete die Augen. Als sie die kahle Hexe sah,
erstarrte sie. Obwohl wieder ein wenig Farbe in ihren Wangen war, wusste ich, dass sie noch sehr erschöpft sein musste.
»Kannst du aufstehen?«, flüsterte ich.
»Ich … weiß nicht.« Sie schaute mich ängstlich an. »Dieser Wind … wo sind wir? Wer ist diese … Hexe? Was habe ich versäumt?«
»Viel.« Ich lächelte schief. »Du würdest es mir nicht glauben, wenn ich es dir erzählen würde.«
Hallia runzelte die Stirn. Sie nahm meinen Arm und kam auf die Knie. Wieder sah sie zu Domnu hinüber. »Mir schaudert … vor ihr. Wer
ist
sie?«
»Domnu. Ich glaube, wir sind in ihrem Lager.«
»Aha«, unterbrach uns Domnu. »Unser zweiter Gast ist wach.« Sie warf dem Hengst einen scharfen Blick zu und glitt dann zu
uns herüber. Während sie sich zu Hallia beugte, fuhr sie sich mit der Hand über den runzligen Schädel. »Eine Hirschfrau, nicht
wahr?« Sie schnalzte wissend mit der Zunge. »Ich sehe es immer am Kinn. Kräftige
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