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Merlin und die Fluegel der Freiheit

Merlin und die Fluegel der Freiheit

Titel: Merlin und die Fluegel der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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andere Art von Musik – das Konzert verschiedenartiger Geschöpfe, die zusammenarbeiteten. Während Zwerge
     immer noch Menschen argwöhnisch betrachteten und Füchse noch Sperlinge hungrig beobachteten, war etwas Bemerkenswertes geschehen.
     Die gemeinsame Erfahrung, zum Hügel zu ziehen, und die Schlacht selbst hatten viele alte Ängste und Abneigungen ausgeräumt.
     Jetzt vibrierte die Luft über dem Hügel von einem gemeinsamen Chor aus Knurren, Wiehern, Pfeifen, Zwitschern, Summen, Schmettern,
     Piepsen, Zischen und Schreien sowie gelegentlich gesprochenen Worten.
    Frauen und Männer zündeten auf dem gefrorenen Hang Feuer an, um es warm zu haben. Sie nahmen dazu abgebrochene Äste, von den
     Bäumen abgeworfen und den Kindern aufgesammelt, dann von den Zwergen mit ihren zweischneidigen Äxten zerhauen. Dachse, Maulwürfe
     und Bären gruben Gräber, während Heiler jeder Art sich um dieVerwundeten kümmerten; Leuchtfliegen umkreisten sie bis spät in die Nacht und spendeten Licht. Pferde und Ziegen trugen Feuerholz
     oder Eisklötze, die zu Trinkwasser geschmolzen wurden. Riesen (außer Shim, der sich zwischen zwei Hügel legte und ein Nickerchen
     machte, das fast zwei Tage dauerte) gingen regelmäßig zur östlichen Seeküste und kamen mit riesigen Tangnetzen voller Fische,
     Muscheln und einem fruchtigen violetten Schilf zurück.
    Gwynnia machte sich daran, Fische mit ihrem heißen Atem zu braten; Adler sammelten Wasserkresse und Seegras an den südlichen
     Flüssen sowie riesige Mengen Winterpilze, Rote-Bete-Wurzeln und Bryllnüsse; Bienen brachten jedem, der Verlangen danach hatte,
     Honigwabenstücke. Die Spinnengestalt der großen Elusa suchte auf den Hügeln ringsum nach sterblichen – und damit essbaren
     – Kriegergoblins, die überlebt hatten. Zur allgemeinen Unterhaltung tanzten inzwischen Zentauren majestätische Reigen, Elfen
     und Kobolde führten akrobatische Sprünge und Saltos vor, Brachvögel veranstalteten Wettpfeifen und Lerchen und Nachtigallen
     sangen für alle, die es hören wollten.
    Nur wenige Verteidiger Fincayras blieben nicht lange. Für die einsiedlerischen Einhörner war die Menge in und um den Steinkreis
     zu viel und sie verzogen sich in die entlegensten Gebiete der Insel. Am ersten Tag nach der Schlacht schwebten auch die Moorghule
     so leise davon, wie sie gekommen waren. Doch bevor sie außer Sicht waren, stieg ein lauter Hochruf von ihren Landsleuten auf
     und donnerte über die Hügel.
    Mein Schatten, der sich großspuriger denn je benommen hatte, seit die Sonne über unserem Sieg aufgegangen war,nahm diesen Moment wahr, um von meiner Seite zu springen. Er stellte sich an eine der größten Säulen und machte eine Reihe
     von Verbeugungen. Solange die Hochrufe erklangen, verbeugte er sich. Ich fand seine Vorstellung peinlich und komisch zugleich.
    Als der Schatten wieder zu mir stolzierte, erklärte ich streng: »Weißt du, eigentlich verdienst du nicht diese Woche Urlaub,
     die ich dir versprochen habe.«
    Verblüfft stemmte der Schatten die Hände auf die Hüften und sah mich wütend an. Sein Umriss zitterte zornig.
    »Nein«, fuhr ich fort, »du verdienst
zwei
Wochen Urlaub.«
    Sofort hörte das Zittern auf. Der Schatten verbeugte sich einmal, aber so tief, dass er sich auf dem Boden zusammenbog.
    Da wirbelte Luft um mein Gesicht und ich roch den süßen Zimtduft. »Aylah«, sagte ich dankbar, »du hast alles völlig verändert.«
    »Nicht ich«, flüsterte sie sanft, »sondern jene, die ich trug.«
    »Ja . . . und jetzt willst du weiter?«
    »Der Wind muss fliegen, Emrys Merlin, denn ich habe neue Welten zu erkunden.« Sie drehte sich langsam um mich herum und blies
     in meine Tunika. »Genau wie du, Emrys Merlin, genau wie du.«
    Ich runzelte die Stirn. »Ich habe gerade die Rettung meiner Heimat erlebt! Ich will nirgendwo anders hin.«
    Der Zimtduft wurde stärker. »Deine Heimat ist vielleicht nicht dein wahres Zuhause, Emrys Merlin, ahhh ja. Genau wie weder
     Emrys noch Merlin dein wahrer Name ist.«
    Da erinnerte ich mich an Dagdas Versprechen vor langer Zeit, dass er eines Tages meinen wahren Namen enthüllenwerde – den Namen meiner Seele. Den Namen, so hatte er gesagt, den er mir erst geben könne, wenn ich ihn wirklich verdient
     hätte. Zugleich fiel mir sein schlimmeres Versprechen ein, dass ich eines Tages nach Britannien auf der sterblichen Erde zurückkehren
     müsse: in das Land des jungen Königs, dessen Mentor ich sein würde, das Land meiner

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