Merlins Drache 01 - Basilgarrad
leisen Klaps, ein Geräusch, das fast niemand gehört hätte – außer im Echotal.
Der kleine Klaps hallte nach und wurde rasch lauter. Er wuchs zu einem Trommelwirbel an, dann zu lautem Hämmern, zu unaufhörlichem Donnern. Bald füllte das Echo die Luft, es zog von einem Ende des Tals zum anderen und wieder zurück.
In diesem Moment kam etwas anderes durch die Luft. Aylah war von ihrer Suche zurück, sie hatte kein Zeichen von Merlin gefunden und kam jetzt näher. Als sie Ärger ahnte, sank sie. Plötzlich blies Wind rund um Basil und hob ihn hinauf in den verdunkelten Himmel.
Zugleich sprangen die drei Bluteber. Zwar streifte einer ihrer Fänge Basils Schwanz, doch sie waren nicht schnell genug, um ihn zu fangen. Während die Windschwester ihn außer Reichweite trug, klatschten ihre schweren Körper auf den von Ranken bedeckten Boden. Dieser Aufprall und ihr wütendes Knurren ließen die Echos zu einem betäubenden Gebrüll anschwellen
Inzwischen stieg Basil höher. Obwohl er nicht sehen konnte, was unten geschah, wusste er, dass Aylahs rasche Reaktion ihn vor Gefahr gerettet hatte. Vielleicht vor dem Tod. Doch er wusste nicht – und hätte es nie erraten –, dass ihm um den Bruchteil einer Sekundedie Begegnung mit seinem eineiigen Zwilling entgangen war.
Unten in der Finsternis schnappten die Eber heftig und stießen mit den Köpfen zusammen. Das Verschwinden ihrer Mahlzeit machte sie hungriger und wütender als je zuvor. Fell flog, als sie sich aufeinanderstürzten und auf den Ranken wälzten. Plötzlich nahm einer von ihnen den Geruch eines anderen leckeren Salamanders auf dem nahen Boden wahr – und hörte sofort auf zu kämpfen. Die anderen Eber rochen ebenfalls neue Beute und taten es ihm nach. Alle drei duckten sich in Angriffsposition.
Der Salamanderzwilling spürte Gefahr und erstarrte. Sollte er versuchen, sich wieder in seinem Loch zu verstecken, oder hoffen, von drei so mächtigen Gegnern nicht entdeckt zu werden? Er entschied sich für etwas ganz anderes.
Als die Eber mit bösem Knurren lossprangen, verwandelte sich der kleine Salamander plötzlich in seine wahre Gestalt. Ein Wechselbalg! Das Aussehen, das er vorübergehend angenommen hatte – ein Spiegelbild seines vorgesehenen Opfers, Basil –, verschwand. An seiner Stelle stand ein mörderisches Tier mit mächtigen Gliedmaßen, tödlichen Krallen und Hunderten schrecklicher Zähne. Wütend stürzte sich der Wechselbalg in den Kampf. Bevor die Eber noch den Boden berührten, war einem von ihnen der Hals durch ein grässliches Maul aufgerissen worden.
Fleisch, Fell und Blut spritzte über den Boden.Schreie und Knurren ertönten und sammelten sich zu einer Unmenge von Echos, die durch die Luft schallten. Nach nicht mehr als zehn Sekunden war die Schlacht vorbei. Mit einem befriedigten Ächzen riss der Wechselbalg die fleischigen Körper seiner drei letzten Opfer auseinander.
Bald blieb nichts mehr von den Blutebern als ein Wirrwarr aus Sehnen und Knochen. Der Wechselbalg, der jetzt die Gestalt einer schwarzen Schlange annahm, schob seinen aufgeblähten Körper unter die Ranken. Dort würde er verdauen und warten, bis sein nächstes argloses Opfer auftauchte.
Während Aylah und Basil schnell nach Osten flogen, ohne zu ahnen, was ihnen entgangen war, verklangen die Echos der Schlacht. Schließlich waren die letzten Laute verschwunden. Eine gespenstische Stille senkte sich über das Reich der ewigen Nacht.
27
Eine tiefere Finsternis
Was sich oben zeigt, ist nicht annähernd so interessant wie das, was darunterliegt.
A ls sie über die Ausläufer von Schattenwurzel flogen, die in Finsternis gehüllt waren, suchte Basil am Himmel etwas, wonach er sich schmerzlich sehnte. Endlich sah er es durch einen Riss in den dunklen Wolken.
»Licht«, sagte er glücklich. »Wieder Licht!«
Er sah zu, wie die ersten leuchtenden Strahlen durch den Riss schossen, die hauchdünnen Wolkenränder beleuchteten und dann durch den Nebel strahlten. Während sie nach Osten flogen, wurden die Wolken um sie herum heller. Licht durchdrang die Luft und ließ den Himmel leuchten wie eine Sphärenkerze.
Weniger als ein Tag war vergangen seit ihrer Flucht aus dem Bauch des Windfängers. Doch so viel war geschehen, dass es Basil mehr wie eine Woche vorkam. Er hatte die Reiche von Feuer und Dunkelheit gesehen – in allem so seltsam, schön und gefährlich wie die Reichevon Stein, Lehm und Luft. Und er hatte ihre geheimnisvolle Magie gekostet, die er noch
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