Merlins Drache 01 - Basilgarrad
seiner Nase eine ganze Reihe von Gerüchen. Manche konnte er nicht erkennen, andere waren ihm von seinen Begegnungen mit Seevögeln, die er in seiner Jugend in Waldwurzel getroffen hatte, vertraut. Denn Tausende Zugvögel hatten sich dort jeden Winter in lauten Schwärmen getroffen und alle Äste von der höchsten Fichte bis zum niedrigsten Erlenbusch besetzt.
Er roch Meersalz, scharf und doch immer verführerisch. Tang, der auf den Wellen schaukelte. Treibholz mit einem Hauch von Algen. Fisch, Fisch und noch mal Fisch. Und die Federn der Möwen – deren Geruch ihn lange geärgert hatte, weil Seemöwen aus Gewohnheit ihr klebriges Guano auf Büsche fallen ließen, auf Sandbänke … und manchmal auf ihn.
»Wasserwurzel«, flüsterte die Windschwester, ihr Atem war vom Meer parfümiert. »Wir sind angekommen.«
»Ich sehe es«, antwortete Basil. »Und was für eine Reise du mir geschenkt hast, Aylah! Nie werde ich das vergessen.«
»Ich auch nicht, kleiner Wanderer.« Ihre hauchige Stimme ging stoßweise wie ein Sturm auf See. »Jetzt werde ich dich wieder verlassen und mich so weit wie möglich strecken auf der Suche nach Merlin! Selbst dann wird es nicht leicht sein, ihn in einem so ausgedehnten Reich wie Wasserwurzel zu finden.«
»Ich möchte mit dir gehen! Und dir helfen, ihn zu finden.« Er bewegte seinen gebrochenen Flügel nur leicht, aber das war genug, um eine Schmerzwelle durch seinen ganzen Körper zu schicken. »Bitte«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Nimm mich mit.«
»Nein. So geht es schneller! Ich muss über große Entfernungen sehhen können. Schließlich könnte er überall sein, vom Geysir von Crystillia bis zum magischen Nebelquell. Er könnte im Süden sein, in denRegenbogenmeeren, wo das Wasser leuchtet wie flüssige Regenbogen. Oder weit im Norden, in der Hhöhle der Wasserdrachen.«
»Wasserdrachen?« Trotz all der Feuchtigkeit in der Luft wurde ihm die Kehle trocken. »Hier gibt es
Drachen
?«
»Ja, und auch wenn sie kein Feuer ausstoßen, sind sie erschreckend wild.«
Sie fegte um ihn herum und beruhigte ihn mit ihrer luftigen Umarmung. »Aber sie leben weit von hhier, kleiner Wanderer. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
»Wenn du meinst«, sagte er zweifelnd, während seine Augen die Wellen nach verdächtigen Gestalten absuchten.
»Außerdem, kleiner Wanderer, haben wir größere Sorgen als Drachen.«
»Da hast du recht. Rhita Gawr.«
»Wo immer er jetzt sein mag.«
Sie bog scharf nach rechts und schickte einen Tropfenvorhang hoch. »Hier setze ich dich ab.« Bevor er noch ein Wort sagen konnte, ließ sie ihn sanft auf ein knorriges Stück Treibholz nieder.
Eilig inspizierte er dieses kleine schwimmende Etwas. Obwohl es kaum größer war als er, schien es stabil zu sein. Es trieb auf dem Wasser und wiegte sich ständig, wie eine andere Art von Welle mit weißer Schaumkrone.
»Na schön. Komm aber bald zurück.«
»Das werde ich«, versprach Aylah. Mit einem plötzlichen Tropfenwirbel war sie verschwunden.
»Viel Glück!«, rief er ihr nach.
Er verteilte sein Gewicht auf dem Treibholz, doch die Bewegung wirkte sich auf seinen verletzten Flügel aus. Ein neuer Schmerz, heftiger als zuvor, brach in seiner Schulter aus, und er stöhnte qualvoll.
Um sich abzulenken, atmete er wieder tief ein. Das kräftige Salz schien auf seine Nüstern zu schlagen. Seetang verstärkte den Geruch, genau wie eine scharfe, silbrige Flosse ihn zu würzen schien, die kurz über die Oberfläche stieg. Dann flogen zwei Vögel, so blau wie das Wasser, mit breiten Flügeln vorbei und fügten den Geruch nasser Federn und Schwimmfüße hinzu.
Gerade da stießen zwei Wellen zusammen und schickten eine Gischtspirale in die Luft. Und als die Tropfen fielen, funkelten sie wie zersplitterte Regenbogen. Vibrierendes Violett, Gelb, Grün und Rot schimmerten überall in der Nähe und regneten hinab.
Mein Versprechen an Dagda!,
fiel ihm plötzlich ein.
Bevor die glänzenden Tröpfchen alle ins Meer fielen, streckte Basil die Zunge aus und fing eins auf. So winzig es auch war, er wusste, dass es die wahre Essenz seines Reichs enthielt – die magische flüssige Scholle, die alles Leben unterstützte. Er zog die Zunge zurück und schluckte.
Ich bin Wasser,
verkündete eine Stimme in seinem Geist – eine Stimme, die brüllte und krachte wie ein ferner Wasserfall, der endlos kreiste und spritzte.
Ich
bin alle Gestalten, alle Formen, alle Orte: so weich wie Nebel und hart wie Eis, so
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