Merode-Trilogie 1 - Teufelswerk: Historischer Krimi aus der Herrschaft Merode (German Edition)
Freudenhaus“, trompetete Mathäus.
„So beruhig’ dich doch. Wusstest du denn nicht, dass -?“
„Ich bin weiß Gott nicht prüde!“
„Nein, weiß Gott nicht.“
„Aber was zu viel ist, ist zu viel. Ich sollte eine Beschwerde beim Rat der Stadt einreichen.“
„Nun ja, wie du sicherlich bemerkt hast, sind die Sitten in der Stadt etwas anders als auf dem Lande.“
Mathäus’ Brustkorb hob und senkte sich unter schweren Atemzügen. Reglos starrte er vor sich hin. „Bin ich weltfremd geworden, Hein?“, fragte er schließlich leise.
„Tja, ein bisschen vielleicht. Das bringt das Leben im Dorf wohl so mit sich. Du solltest öfter mal wieder hinaus in die Welt.“
Mathäus lächelte zaghaft. „Ja, vielleicht. Vielleicht sollte ich aber auch einfach in Merode bleiben und dort dem Jüngsten Gericht entgegen harren.“
„Möglich, dass du da lange warten musst“, sagte Heinrich. „Übrigens wundere ich mich, dass du auf Frauen diesen unwiderstehlichen Reiz auszuüben scheinst.“
„Blödsinn.“
„Venus kam zuerst zu dir. Offenbar hast du mir den Rang abgelaufen. Denn früher war das umgekehrt. Du alter Schwerenöter!“
„Du alter Schwätzer!“
Sie machten sich auf den Rückweg, um im
Schwan
ihr Abendmahl einzunehmen.
11
Die letzten Sonnenstrahlen des Tages verliehen dem Wald, der sich wie ein schützender Wall um Merode erhob, geheimnisvollen Glanz. Die Bauern und Knechte hatten ihre Tätigkeit auf den Feldern für heute eingestellt; nach den schweißtreibenden Erntearbeiten gönnten viele sich nun einen Abendtrunk im
Carolus Magnus
. Noch immer war der Mord an Anna in aller Munde, und das Ultimatum, das Paulus und Mathäus ausgehandelt hatten, war längst von den Schergen des Burgvogts bekannt gemacht worden. Paulus hatte damit die allgemeine Ungeduld schüren wollen, doch zu seinem Unmut musste er feststellen, dass die meisten Dorfbewohner dies eher gelassen zur Kenntnis nahmen. Mehr noch, mancher gelangte zu der Überzeugung, dass das Warten dem Mörder unsägliche Qualen bereitete, dass der bloße Gedanke an Folter, Schmerz und Tod ihm wie ein glühendes Eisen in der Seele brennen musste und daher einen nicht geringen Teil der Sühne ausmachte. Einen Henker hatte man immer noch rasch herbeigerufen.
Umstrittener war das Vorhaben des Wolfsbauern und seiner Frau, den Leichnam ihrer Tochter nicht auf dem Friedhof in Dhorn zu beerdigen, sondern hinter ihrem Haus. Der Gemeindepfarrer wetterte seit Jahren gegen diese Unsitte, doch noch längst nicht waren alle seine Schafe bereit, mit den Traditionen zu brechen und die verstorbenen Familienmitglieder fernab ihres Heimes zu wissen. Aus diesem Grund hatte der Pfarrer dem Wolfsbauern und seiner Frau die Weihe des bereits ausgehobenen Grabes verweigert. Für die leidgeprüften Eltern stellte dies jedoch keine Schwierigkeit dar, wussten sie doch, dass Moses, der Kaplan von Burg Merode, den Segen dafür umso eifriger erteilen würde.
Während die Bauern im
Carolus Magnus
über solcherlei Angelegenheiten debattierten, plagte sich die alte Hebamme Sibylle mit ganz anderen Sorgen. Ihre Gelenke schmerzten höllisch, dennoch musste sie die letzte Helligkeit des Tages nutzen, um ihren Korb mit Kräutern und Heilpflanzen zu füllen, war doch der genaue Zeitpunkt des Sammelns bestimmter Gewächse von eminenter Wichtigkeit. Dunkelheit konnte ihrer Wirkung ebenso abträglich sein wie sengende Mittagshitze. Auch die Phasen des Mondes galt es zu berücksichtigen. Aber wer wusste das noch außer der alten Sibylle, die es wiederum von ihrer heilkundigen Mutter gelernt hatte.
Die Hebamme stöhnte auf vor Schmerzen. Das Rheuma in ihren Knochen stach und bohrte; sie blieb stehen, um zu verschnaufen. Ihr Blick wanderte vom Waldsaum hinab ins Dorf, das spätestens in einer Stunde im Mondschein liegen würde. Nur in der Burg der hohen Herren von Merode, da würde noch eine Zeitlang Licht flackern hinter den Fensteröffnungen. So war es immer schon gewesen, Sibylle konnte das beurteilen. Denn seit ihrer Kindheit bewohnte sie das kleine Haus am Waldrand, das einst die Köhlerhütte ihres Vaters gewesen war. Natürlich waren ihre Eltern schon seit Jahrzehnten tot, und Sibylle war das letzte lebende Mitglied ihrer Familie. Sie hatte nie geheiratet - was aber nicht bedeutete, dass sie nie geliebt hätte. Doch Jakob, ihren Geliebten, hatte eines Tages die Schwindsucht dahingerafft. Womöglich hatte dieser Schmerz sie vor noch größerem Schmerz bewahrt, denn als Sohn
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