Merry Christmas, Holly Wood
unter dem Baum? Das neueste iPhone? Eine teure Rolex? Ein handgefertigter Maßanzug?
Ich habe in diesem Jahr ein ganz besonderes Geschenk erhalten: eine ganz neue Erfahrung, die mir die Augen für die wirklich wichtigen Dinge im Leben geöffnet hat.
Ich bin auf dem Weg nach Hause in einer kleinen Stadt namens Loveland gelandet, wo die Liebe wahrhaftig noch eine Bedeutung hat. Wo der eine dem anderen hilft, die ganze Gemeinde ein Haus für einen alten Mann baut, der in seiner baufälligen Hütte den Winter sonst wahrscheinlich nicht überlebt hätte, wo die Menschen Kekse füreinander backen, Lieder füreinander singen, wo Menschen noch menschlich sind, wo Liebe den höchsten Rang hat.
Ich durfte wahre Gastfreundschaft erfahren und habe einige der wundervollsten Menschen auf Erden kennengelernt. Und ich habe begriffen, dass alles, was man zum Glücklichsein braucht, ist, selber Glück zu verschenken.
Was das mit Mode zu tun hat, fragt Ihr euch? Ich werde es Euch sogleich sagen. Dieses Weihnachten habe ich meine Prada-Stiefel mit den altmodischten, jedoch wärmsten Stiefeln ausgetauscht, die man sich nur vorstellen kann. Ich habe meine Dolce & Gabbana Bluse im Koffer gelassen und stattdessen einen wundervollen, mit viel Liebe selbstgestrickten Kuschelpulli angehabt. Und wisst Ihr was? Ich habe mich gut dabei gefühlt. Denn wenigstens einmal im Jahr sollte sich jeder von uns solch eine Auszeit gönnen. Lasst die Arbeit Arbeit sein, versammelt Euch bei den Menschen, die euch wichtig sind, verschenkt ein Lächeln, verschenkt eine warme Mahlzeit, legt die Füße hoch, lest ein gutes Buch. Macht, dass Ihr euch gut fühlt. Es ist gar nicht so schwer, wie Ihr glaubt.
Also, liebe Leser, holt Euren bequemsten Kuschelpulli aus der hintersten Ecke Eures Schrankes, denn diesen Winter ist Wohlfühl-Mode angesagt! Seid Ihr selbst, nur für einen Tag, und ich garantiere Euch: Ihr werdet es lieben!
Und wenn das alles nichts hilft, fahrt nach Loveland und lasst Euch dort zeigen, worum es im Leben wirklich geht!
Ich wünsche Euch einen tollen Start ins neue Jahr und vergesst nicht Euren Kuschelpulli!
Eure Holly Wood
Epilog
Zurück in New York traf Holly sich mit Chuck und verabschiedete sich für immer von ihm. Am Montagmorgen ging sie zu Kendra ins Büro, wo die sie eiligst hinbestellt hatte. Holly erklärte ihr noch einmal persönlich, was es mit der Kolumne auf sich hatte, die die Redaktionsleiterin nämlich anfangs nur für einen schlechten Scherz gehalten hatte.
„ Drucke es so oder drucke etwas eigenes. Wenn du Hollys Meinung zur Mode in diesem Winter hören willst, musst du es so hinnehmen, ganz genauso und nicht anders“, hatte Holly ihr noch vor wenigen Tagen am Telefon gesagt, nachdem sie ihr die Kolumne gemailt hatte und daraufhin nicht sehr ernst genommen worden war.
„Du bist Modekolumnistin, Holly, die Leute erwarten von dir die heißesten Trends für die anstehenden Silvester-Partys und nicht irgendwelche Lebensweisheiten. Spiel dich jetzt bloß nicht als Moralapostel auf, das wollen die Leser nicht von dir hören.“
„Das bin aber ICH, Kendra. Ich schreibe nur, wie ich mich gerade fühle, und ich fühle mich großartig! Du solltest dir vielleicht auch einfach mal einen Kuschelpulli überziehen.“
„Du spinnst doch“, hatte Kendra – groß und schlank mit einem roten Bob – gesagt, die Kolumne aber dennoch gedruckt. Was blieb ihr auch anderes übrig?
Am Montag nun, zwei Tage nach Erscheinen des Magazins, war ihre Missbilligung aber bereits in überschwänglichem Eifer umgeschlagen, als die Kolumne nämlich die höchste Resonanz des Jahres erzielte. Plötzlich lief jedermann im Kuschelpulli herum und alle wollten mehr über die Menschen in Loveland erfahren.
„Du musst unbedingt noch mal zurück nach Loveland und ein paar Leute interviewen. Könntest du dir vorstellen, neben der Modekolumne noch eine weitere zu machen? Ich habe da schon so eine Idee: Jede Woche bringen wir das Portrait eines anderen Stadtbewohners von Loveland. Das wird einschlagen wie eine Bombe!“
Dieser Vorschlag von Kendra kam Holly sehr gelegen, denn sie hatte sowieso noch mit ihr sprechen wollen. „Wie wäre es, wenn ich nur noch diese Loveland-Kolumne machen würde?“
„Du bist einverstanden? Du findest die Idee gut? Du willst die Kolumne machen?“, fragte Kendra aufgeregt.
„Ja, ich werde sie machen, liebend gern. Aber ich werde mit der Modesache aufhören.“
Jetzt erst begriff Kendra,
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