MERS
würden, wegen Natur, und um Anna zu schützen. Er antwortet, das sei alles bereits festgemacht, und wenn ich nicht wegen Danno zur Polizei ginge, müsse er das selbst tun.
»Tu’s nicht, Mark. Das kannst du nicht tun. Ich würde dich nicht unterstützen. Wenn du ihnen das mit den Ringen erzählst, werde ich sagen, daß du Unsinn redest. Du kannst nicht zur Polizei gehen, wenn ich sage, daß du Unsinn redest.«
»Sei vernünftig. Mit deinem Wissen kannst du ihn nicht frei herumlaufen lassen, altes Haus.«
»Vielleicht irre ich mich. Du hast mir nicht geglaubt. Du hast es für einen Zufall gehalten. Vielleicht irre ich mich.«
»Dann wird die Polizei Nachforschungen anstellen, und er wird Alibis oder so was herbeibringen, und es wird kein Schaden entstanden sein.«
»Ich kann’s nicht tun, Mark. Er ist mein Bruder.«
»Die getöteten Mädchen waren jemandes Töchter.«
Daraufhin fragte ich ihn, was wir wegen meiner gestohlenen Forschungsergebnisse unternehmen würden, und wegen Natur und um Anna zu schützen.
Irgendwann geht Mark zu Bett. Ich habe ihm versprochen, die Polizei anzurufen, aber zunächst müßte ich mit Danno reden. Er ist mein Bruder, und ich liebe ihn, und ich mußte ihm von meiner Absicht berichten. Weswegen? Wegen der Pistole auf dem Schreibtisch in dem einsamen Zimmer? Natürlich nicht. Damit ich ihm erklären kann, was ich tue und weshalb, und dann würde er nicht schlecht von mir denken? Natürlich nicht. Damit er entfliehen kann, das Land verlassen kann, Mädchen in Frankreich ermorden kann? Das auch nicht. Weswegen dann? Ich weiß einfach, daß ich’s tun muß.
Ich frage Mark, was geschieht mit Danno, wenn er festgenommen, eingesperrt, vor Gericht gestellt und für schuldig befunden wird, und Mark erwidert, er müsse sich einem Psycho-Engineering unterziehen, damit es aufhört, und ich frage, was damit verbunden ist, und Mark erwidert, er weiß es nicht.
Ich stehe am vorderen Fenster und blicke hinaus. Am seitlichen Fenster, am hinteren Fenster. Ich sehe nichts, nur die Nacht. Ich fürchte mich davor, Bilder von Danno zu sehen, wie er goldene Ringe in die Schuhe toter Mädchen steckt, aber ich sehe bloß die Nacht. Ich glaube Mark nicht, wenn er sagt, er wisse nicht, was mit Psycho-Engineering verbunden ist. Er ist der Wissenschaftsjournalist. Es ist sein Job, so etwas zu wissen.
Ich bin die Ärztin, ist es nicht mein Job, so etwas zu wissen? Nun, ich kenne mich bei neuralen Netzwerk-Computern aus. Ich weiß, wie man Wellengeneratoren stabilisiert. Ich kenne mich bei psychogenetischen Medikamenten und Laser-Gehirnchirurgie aus. Aber mein Wissen ist unvollständig, vorsätzlich unvollständig, ein unattraktives Pflichtseminar, und das Wissen ist zwanzig Jahre alt. Psycho-Engineering ist eine Technik, da gibt es kein Zurück. Ich gehe zu den medizinischen Wälzern auf meinem Regal, und sie sind dreißig Jahre alt. Ich stehe am Fenster und blicke hinaus.
Vielleicht schlafe ich am Ende doch ein wenig. Ich erinnere mich, daß Mark erscheint, daß die Lampen, weil es mitten in der Nacht ist, nur gedämpftes Licht abstrahlen, als er sie einschaltet. Ich erinnere mich, daß er eine Hand ausstreckt. »Komm ins Bett, altes Haus.«
Ich glaube in der Küche zu stehen. »Nein, Mark.« In meiner Erinnerung sehen sie wie die Küchenlampen aus. »Nein.« Ich überlege, was ich wegen Natya unternehmen soll. Ich bin mir sicher, daß sie nichts an Unikhem verkauft hat.
»Verschieb’s auf morgen früh. Komm zu Bett.«
»Ich muß Danno finden. Ich muß mit ihm reden. Was tust du da?«
»Ich rufe Doktor Vrieland an.«
»Das verbiete ich dir. Er ist ein alter Mann. Es ist mitten in der Nacht, und ich verbiete es dir. Ich brauche keinen Arzt. Er wird wollen, daß ich schlafe. Zuviel Getue wird ums Schlafen veranstaltet, das hast du selbst gesagt. Und ich muß nachdenken. Ich verbiete dir, ihn anzurufen.«
Ich glaube, Mark und ich führten weitere solcher Gespräche. Gott weiß, wieviel Schlaf er bekam. Immer ging’s die Stufen hinauf und hinunter. Aber er war um sechs Uhr aus dem Bett, hatte sich angekleidet und weckte Anna. Sie mußten früh aufbrechen, wenn sie den durchgehenden Morgenzug nach Nomansland erreichen wollten.
Eine weitere Erinnerung: Marks Arbeitszimmer. Anna steht neben dem Schreibtisch, und Mark liegt vor ihr auf den Knien. Er wischt ihr die Stirn mit einem Tuch, und die Augen tränen ihr. Es herrscht ein starker Geruch nach Lösungsmittel.
»Was, zum Teufel, tust du
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