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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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an sich. Er ist sehr froh, mich zu sehen. Ich glaube, ich drücke ihn auch. Ich rieche den feuchten, staubigen Geruch des Kunststoffrücksitzes, und ich sehe die glänzenden Wülste eines roten Nackens über dem Kragen des fetten Taxifahrers. Ich horche auf das Knirschen des alten Motors und auf das Quietschen der alten Federung. Außerhalb des Taxis ist es ein weiterer kalter, grauer, windiger Tag. Regen fällt, vermischt mit Graupel. Ich furchte, Mark wird mich fragen, wann ich die Absicht habe, der Polizei von Danno zu erzählen, denn er hat offensichtlich erraten, daß ich es noch nicht getan habe, statt dessen jedoch sagt er: »Du mußt sehr tapfer sein, altes Haus.«
    Er hält inne, und ich warte. Tapfer sein, das war gestern, tapfer sein, das ist nicht heute, und dann sagt er es mir. »Harriet, sie haben Annie entführt. Die Äbtissin hat mich heute früh angerufen. Sie sind mit Pistolen gekommen und haben Annie entführt.«
    Ich sehe weg vom Regen, weg vom fetten Hals des Taxifahrers, und ich sehe ihn ruhig an. Endlich, ruhig. Sie haben Annie entführt. Wie einfach. Endlich einfach. Ich mag es, wenn alles ganz einfach ist.

Der Bevölkerungsrückgang
Jahr 35: Ende Oktober
12

    »Du hast wirklich Nerven, Har’. Hoffentlich ist dir das klar.«
    »Und du bist ein Engel, Liese. Hoffentlich ist dir das klar.«
    Liese war es klar. Was teilweise dafür verantwortlich war, weswegen sich diese Woche das Fehlen bei der Arbeit trotz der Unbequemlichkeiten lohnte – das und ihre Liebe zu Anna. Sie waren gerade angekommen. Sie standen im Flur von Marks und Harriets großer Wohnung im dritten Stock unten am Fluß, in den Außenbezirken der Stadt. Drei Jahre zuvor wäre dieses Treffen nicht möglich gewesen, aber Harriet hatte sich jetzt als Mrs. Kahn-Ryder gut herausgemacht, und über die Jahre hinweg hatte Lieses Schmerz nachgelassen.
    Harriet nahm ihre Freundin beim Arm und führte sie ins Wohnzimmer. Es lag nach Süden hinaus und bot an diesem späten Oktcbernachmittag an Aussicht lediglich graue Wolkenbänke über blattlosen Bäumen und den trägen, toten Fluß. Harriet setzte Liese mit dem Rücken zum Fenster hin.
    »Ich hol dir was, ja? Es dauert noch eine Weile, bis Annielein von der Schule zurückkommt. Tee? Kaffee? Einen Schluck Forester’s Friend?«
    »Tee, Har’. An dem Tag, da ich um drei Uhr nachmittags zum Wodka greife, werde ich wissen, daß es an der Zeit ist, sich einen kostpieligen Liebhaber zu besorgen.«
    Harriet lachte. »Ansonsten tut sich nichts… in dieser Richtung?«
    »Sei nicht affektiert, meine Liebe. Ich gehe auf die Dreißig zu, bin Jungfrau und werde es wahrscheinlich auch bleiben. Mark Kahns sind nicht gerade reichlich gesät.«
    »Nein. Nun… ich werd Tee zubereiten.« Harriet deutete auf die Hi-Fi-Anlage. »Such uns was von Chopin ’raus. Ich vertrage mich wieder mit ihm.«
    Sie ging in die Küche hinaus. Liese nach ihrem Sexualleben zu fragen war ein Fehler. Es strich ihr eigenes Glück zu sehr heraus. Liese nach fast allem anderen zu fragen war ein Fehler, und zwar aus demselben Grund. Aber sie waren kluge Frauen, und wenn Anna das meiste war, was sie dieser Tage miteinander teilten, dann war Anna sehr viel.
    Harriet setzte das Wasser auf, bereitete den Tee. Die energische junge Frau, die für sie und Mark den Haushalt führte, war bereits gegangen. Sie wollte eine Woche Urlaub im Haus ihrer Mutter nehmen, oben in den Bergen. Sie hoffte, etwas Ski fahren zu können. Ein Nocturno von Chopin trieb aus dem Wohnzimmer herein. Dank Marks Hilfe vertrug sich Harriet endlich mit Chopin.
    Liese. Mark. Sie hatte nicht gewußt, daß sie so rücksichtslos sein konnte. Sie hatte gewußt, daß sie so rücksichtslos sein konnte, jedoch nicht dermaßen rücksichtslos. Sitten und Gebräuche waren auf ihrer Seite gewesen, was half, aber die Übergabe einer Liebesbeziehung auf eine weniger bedeutende Ebene fiel niemals leicht. Sitten und Gebräuche nahmen auf ihre antifeministische Weise an, daß die Liebe zwischen Frau und Mann alle anderen Arten von Liebe überragte. Eine zähe Annahme. In Harriets Fall funktionierte sie, denn Mark besaß alle besseren Eigenschaften von Liese – Freundlichkeit, Treue, Intelligenz, Toleranz – sowie Schlagfertigkeit, einen Sinn für Humor und auch einen Penis, aber in vielen Fällen leistete die Annahme einfach nur der Hysterie sexueller Schwärmerei Vorschub.
    Der Tag, da sie von Liese wegzog, tatsächlich ihre und Annas Sachen packte und ging, war einer der

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