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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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sich zu nehmen. Hätte Mama mich jetzt hören können! Muster, Muster. Mit fünfzehn bevorzugte Anna genau wie ich Kaffee, schwarz, und einen kalorienarmen Zwieback. Ich hatte überlebt, also würde sie auch überleben.
    »Worum ging’s eigentlich bei der ganzen Schreierei?« fragte sie.
    Ich warf Mark einen Blick zu. »Schreierei? Wir haben nicht geschrien. Wir haben geredet, über…«
    »Ihr habt geschrien, Mama.«
    »Ganz und gar nicht. Du meinst den Anruf, den ich von den Asgeirsons erhalten habe?«
    »Ich meine die Schreierei.«
    »Na gut, dann haben wir geschrien. Davon geht die Welt nicht unter.«
    »Das habe ich nie behauptet. Worum ging’s bei der Schreierei?«
    Mark lachte. »Die Unnachgiebigkeit der Jugend… Wir haben geschrien, Annie, und es ist um den besten Platz für dein Versteck gegangen.«
    »Ich krieg meine Tage«, warf ich ein. Mir wurde jäh klar, daß das sein konnte.
    »O ihr seid beide so dumm.« Anna schüttelte prüfend die Kaffeekanne, ob noch etwas für eine zweite Tasse darin war, und schenkte dann nach. »Warum habt ihr mich nicht gefragt? Ich habe darüber nachgedacht, und ich habe die beste Idee gehabt. Ein Kloster. Eines von Omas Mutterstätten. Nicht ihre eigene, auf Großmutters Insel – das wäre zu offensichtlich. Aber sie könnte leicht ein anderes organisieren. Und selbst wenn man mich findet, bin ich mir sicher, daß sie ein Recht auf Unverletzlichkeit oder so was haben.«
    Die beste Idee. Jawohl, in der Tat. Gäbe es ein besseres Versteck für ein Mädchen als ein Kloster? Und sie hatte recht – die Häuser des Heiligen Ordens von Gott der Mutter boten gesetzliche Unantastbarkeit. Es war eine der vielen Konzessionen – das Recht auf lesbische Elternschaft war eine weitere –, die ihre Gründerin, Margarethe Osterbrook, einer Regierung abgerungen hatte, die es mit der Angst bekam, weil sie zum erstenmal einer Wahl mit einer Wählerschaft entgegensah, bei der Frauen mächtig dominierten. Selbst die Ministerin würde es sich zweimal überlegen, ehe sie Sergeant Milhaus aus allen Rohren schießend zu einem Kloster schickte.
    Die Angelegenheit war klar. Für mich blieb lediglich noch der Gang zu Mama, um die Sache festzuklopfen. Das würde eine Fahrt zur Insel erfordern – Telefonieren schied aus, und der Orden benötigte keine abgesicherte Computerverbindung –, aber ein Besuch war ohnehin überfällig. Ich hatte Mama seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen. Ich war eine vielbeschäftigte Dame. Ich konnte keine perfekte Tochter sein und gleichzeitig die Welt vor dem Syndrom retten.
    Apropos Syndrom: ich sagte Mark, ich müsse den Morgen am Institut verbringen und damit anfangen, meine Forschungsergebnisse zu sichten. Je rascher das erledigt war, desto rascher konnte ich meinen Artikel schreiben, desto rascher konnten wir ihn Natur zufaxen und desto rascher konnten wir verhindern, daß Anna etwas zustieße. Mein erster Impuls war, sie gleich jetzt wegzuschicken, auf der Stelle, aber selbst ein Kloster wäre nur bis zu dem Zeitpunkt sicher, da ich meine Absichten nicht aufdecken würde. Ich unterschätzte die Gegenseite nicht: sie konnte gewiß Druck auf Osterbrook ausüben, sobald sie – wie es früher oder später unausweichlich geschehen würde – Annas Spur zu einem ihrer Häuser gefolgt wäre.
    Anna fragte, ob sie mit mir zum Institut kommen könne, und natürlich war ich einverstanden. Die Ovae-Sammlung der Klinik faszinierte sie – die Labortechniker kannten sie gut –, und wenn sie mir helfen wollte, würde ich bestimmt etwas Computerarbeit für sie finden. Mit zwei Wissenschaftlern als Eltern hatte sie von vornherein ein positives Verhältnis zur Tastatur.
    Eine kleine Gruppe von Reportern – Frauen und dazu sehr jung – wartete am Fuß des Pfads hinab zur Straße. Sie stellten die üblichen Fragen – war ich von der Ministerin zum Rücktritt ersucht worden, und war ich mit dem Fortschritt bei meiner Syndrom-Forschung zufrieden – und machten Videoaufnahmen, während ich die erwarteten üblichen Antworten gab. Verärgerung lag in der Luft, jedoch nicht über mich, sondern eher über die Unzuverlässigkeit der ministeriellen Lecks und der Einfältigkeit ihrer Herausgeber. Sie ließen Anna und mich rasch gehen.
    Eine Straßenbahn kam an, und wir stiegen ein. Der Morgen war kalt, jedoch strahlend, ohne Zeichen für nächtlichen Frost. Anna war gedrückter Stimmung. Sie saß am Fenster und blickte hinaus.
    »Ich hasse Männer.«
    »Was?« Ich war gerade bei

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