MERS
vernetzt, was er benötigte. Ich erledigte meine Schreib- und Denkarbeit hier, in der Nähe der Leute und Laboratorien, die mir das Rohmaterial lieferten. Und in der Nähe der Flasche aus rostfreiem Stahl auf ihrer Säulenplatte auf meinem Schreibtisch, die Flasche aus Erzurum, die davor im Biberian’schen Forschungszentrum nahe Tbilisi gestanden hatte und unser Maskottchen war.
Sie barg noch immer Spuren jenes fünfunddreißig Jahre alten Schlamms, für den Mark einen dicken Batzen Euros bezahlt hatte. Sie war unsere Glücksbringerin, und sie erledigte diese Arbeit ziemlich gut.
Ich machte mich an die Skizzierung einer Forschungssequenz, wobei ich das bloß schmückende Beiwerk jätete. Ich lese genügend auf deutsch, daß mir der hauseigene Stil von Natur präsent war – ein ziemlich schlauer Kompromiß; nicht völlig akademisch, jedoch wesentlich weniger populistisch als Science News. Sie hatten nichts dagegen, ihren Lesern das zu bieten, was Mark einen Mensch, toll!- Faktornannte, aber sie ließen die Leute auch gern dafür arbeiten. Ich hatte Glück, Naturs Interesse erregt zu haben, es war die seriöseste aller nicht-universitären europäischen Zeitschriften. Falls ich nicht beim Pariser Symposion der Weltgesundheitsorganisation veröffentlichen konnte, dann war Natur eine schöne zweite Wahl.
Der Morgen verstrich. Ich überflog gerade ein Blatt Strahlungstestergebnisse – eine Sackgasse, wie sich herausgestellt hatte, aber Teil der Forschungsgeschichte –, da wurde mir klar, daß es zwölf Uhr dreißig war, Zeit fürs Mittagessen meiner Tochter. Genau in diesem Augenblick schaute Gusso Polder zur Tür herein.
»Morgen, Boss.«
Ich hatte vergessen, daß er sich im Gebäude aufhielt. Der arme Mann war dabei, die RNA-Spaltung nachzuholen, zu der ich dank Dr. Marton nicht gekommen war.
Er nickte Anna zu. »Morgen, Junior-Boss. Wie ich sehe, bist du beschäftigt gewesen.«
Sie kämpfte gerade mit den Bergen an Ausdrucken und wußte nicht, was sie ihm sagen sollte – die Ausdrucke waren für meinen Artikel bestimmt, den ich nicht schreiben sollte.
Ich improvisierte. »Sobald das menschliche Testprogramm in die Gänge kommt, werden wir Daten zum sofortigen Zugriff benötigen.« Eilig fügte ich hinzu: »Hat Ihnen die RNA gebracht, was Sie wollten?«
»Ein weiteres Steinchen.« Er hob die Schultern. »Das ich allen anderen hinzufügen kann…« Er blickte mich von der Seite her an. »Haben Sie das ernst gemeint mit dem vollständigen menschlichen Testprogramm?«
»Es wird darauf hinauslaufen, Gusso.«
Anna war über ihre Ausdrucke gebeugt, trennte sie und heftete sie in Ordnern ab. Gusso zeigte auf mich, dann auf sie und hob die Augenbrauen. Ich schüttelte den Kopf. Meine Familie wußte noch nicht, daß ich mich vor einigen Wochen wie der klassische verrückte Wissenschaftler verhalten hatte und jetzt bei meinem eigenen fortgeschrittenen Ein-Frau-Testprogramm war. Niemand wußte es, außer Gusso – er mußte die Laborzeit für mich fälschen und eine Ausrede und einen Vorwand finden, eine Probe Impfstoff von seinem leitenden Techniker zu bekommen. Ich bot ihm an, eine Verzichtserklärung zu unterschreiben, daß er entgegen seines Rats Anweisungen nachgekommen war und all das, und er hatte erwidert: Scheißdreck! Wenn sich die Therapie als effektiv erwiese (nicht falls!), wollte er seinen Anteil am Ruhm.
Mark gegenüber war die Geheimniskrämerei nicht fair, aber ich wollte gerade diese Sache nicht an die große Glocke hängen. Babies zu bekommen dauert nun mal neun Monate und ist oftmals gefahrvoll. Und männliche Babies zu bekommen war etwas völlig anderes. So sagte ich kein Wort, genoß lediglich unseren Sex en naturel, und wenn wir Erfolg hätten, würde ich ihm sagen, ich sei schwanger, und das wäre großartig.
Wenn sich der Fötus als männlich erwiese, wäre das ebenfalls großartig. Und wenn ich ihn voll austrüge, und wenn die Geburt gut verliefe, und wenn das Baby normal wäre, wäre das welterschütternd. Aber es waren viele, viele Wenns, viel zu viele, um jetzt schon darüber zu quatschen.
Und falls ich jetzt meine Tage bekäme, bedeutete das einen vergeudeten Monat sowie eine Reihe sehr schwieriger Test, um herauszufinden, ob der Impfstoff bei der Verhinderung einer Abstoßung versagt oder ob ich einfach nicht empfangen hatte.
Gusso fuhr glatt fort: »Wie Sie gestern da die Sache mit dem menschlichen Programm gesagt haben, hat das für mich nach Beschäftigungstherapie
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