MERS
verursachte, und entleerte den Kies. Er setzte sich, den Schuh in der Hand, und starrte auf den Ozean hinaus.
Er würde nicht ins Haus unten zurückkehren, zu Soßen mit Meeresfrüchten und zu seiner Mutter, die dabei war, sich ihrer lahmen Berühmtheit anzubiedern. Er würde schnurstracks zum Bahnhof gehen, sich den ersten Zubringerzug und am Umsteigebahnhof einen Expreßzug zur Kaserne zurück nehmen. Er hatte wenig bei sich gehabt, ein paar Sachen in einer Tasche, und Harri konnte sie ihm nachschicken. Es gefiel ihm nicht, sie einfach so zurückzulassen, sie hatten noch gar nicht miteinander gesprochen, aber das war nicht seine Schuld: die Hälfte der Zeit stand Harri anscheinend auf der Seite jener Frau. Vielleicht, weil sie noch immer ein Kind war, nahm sie Partei für ihre Mutter.
Er zog sich den Schuh wieder an und lehnte sich an die Bronzebeine der Kinder. Sein Kopf paßte unter den ausgestreckten Arm des Jungen. Im Vergleich zur Kraft der Kinder, die unverrückbar jahrelang in Wind und Regen, Eis und Schnee dagestanden hatten, fühlten sich seine Knochen gefährlich zerbrechlich an. Erde auf Papas Sarg zu schaufeln war das Schwierigste, was er je getan hatte. Seine Knochen waren aus Glas, und wenn er daran rüttelte, würden sie zerspringen. Allmächtiger Christus, er wünschte, er könnte jetzt wieder in der Kaserne sein, ohne die Mühe, die es bereitete, dorthin zu gelangen.
»Daniel? Daniel, mein Sohn, warum hat er das getan?«
Daniel schloß die Augen. Er drehte sich um und umarmte die Körper der Kinder, klammerte sich daran. Klammerte sich daran.
»Es ist nicht fair, Daniel. War ich wirklich so schrecklich?«
Ja, Mama. Ja, du warst schrecklich. Du bist schrecklich. Frauen sind schrecklich. Du bist die schlimmste.
»Du gibst doch nicht mir die Schuld, nicht wahr, Daniel, für die Tat deines Vaters?«
Er öffnete die Augen. Es war wie ein Traum, einfach so, als ob er aus weiter Entfernung auf den Spielplatz hinabblickte, auf sich selbst neben den Statuen, auf seine Mutter, die allein auf dem gelben Sommergras steht, auf seine Schwester am Eingang zum Spielplatz, die zusieht, dann auf die School Lane und die Schule und dahinter auf den Friedhof, auf die winzigen Fernsehleute und die winzige Margarethe Osterbrook in ihrem blauen Gewand. Er sah sich zu, wie er die Statuen sehr vorsichtig losließ und aufstand. Wenn er an seinen Knochen rüttelte, würden sie zerspringen. Er ging um die Statuen herum zu seiner Mutter. Er sah sich selbst, wie er sie anblickte, sie wirklich anblickte, ihre abscheulichen Kleider und ihr abscheuliches Gesicht.
»Seine Arbeit hat ihn unglücklich gemacht, Daniel. Nicht ich, seine Arbeit. Und der schreckliche Bevölkerungsrückgang.«
»Natürlich bist du’s nicht gewesen.« Der Traum hörte auf, und er war wieder bei sich selbst, sah sie an, ihr abscheuliches Gesicht. »Es war seine Arbeit. Er hat einmal mit mir darüber gesprochen. Es war seine Arbeit.«
»Du gibst nicht mir die Schuld?«
»Ich kehre jetzt in die Kaserne zurück. Natürlich gebe ich nicht dir die Schuld.«
»Wann sehen wir… wann sehe ich dich wieder?«
»Sehr bald.« Sie streckte die Hand nach ihm aus, aber er mied sie. Er konnte sie anlügen, aber berühren konnte er sie nicht. »Ich weiß es nicht. Sehr bald.«
Sie akzeptierte das anscheinend. Wenn es einen Gott gab, Mutter, Vater, irgendeinen Gott, wäre sie dort, wo sie stand, niedergestreckt worden, verdorrt, verschrumpelt, die Haut in Streifen vom Körper geschält.
»Halt die Ohren steif, Mama! Bis bald.«
Er ging um sie herum, an ihr vorüber und zu Harriet, die vom Tor aus zusah.
»Sag du es ihr, Harri«, meinte er. »Ich kann’s nicht.«
»Ihr was sagen? Für dich soll alles einfach sein, Danno. Ist es aber nicht.«
»Wenn sie anders gewesen wäre, wäre er noch immer am Leben. Ist das nicht einfach?«
»Wenn sie anderes gewesen wäre, wenn Brandt anders gewesen wäre, wenn du anders gewesen wärst, wenn ich anders gewesen wäre, wenn er an jenem Morgen den Bus zur Arbeit verpaßt hätte. Um Gottes willen, Danno, wenn er anders gewesen wäre.«
Harri war nur ein Kind. Sie stellte sich auf Mutters Seite. Sie verstand nichts.
»Dann geh ich jetzt. Du kommst ja bestimmt gut ohne mich zurecht. Sag Liese alles Gute von mir.«
»Paß auf dich auf, Danno. Paß auf dich auf…«
Sie legte die dünnen Arme um ihn, drückte ihn an sich, und er wollte nicht gehen. Sie brachte ihn wieder ins Lot. Nirgendwo sonst wollte er sein. Sie
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