Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
Vom Netzwerk:
niemand draußen auf der Straße, der sie
hätte sehen können. Sie schritten flott aus –
wären sie gerannt, hätten sie die Aufmerksamkeit auf sich
gelenkt. Eigentlich sollten sie sogleich zu ihren jeweiligen
Fahrzeugen zurückkehren, sich bis zur Pike Street nicht
wiedersehen, aber Daniel hatte nicht den Eindruck, daß Bert
bereits fahrtüchtig war. Zu der Zeit, da die Polizei rund um die
Klinik Straßensperren errichtet hatte, hatte Daniel in einem
halben Kilometer Entfernung eine schlecht beleuchtete Kellerbar
gefunden. Sie waren jetzt in Hemdsärmeln, trugen ihre Jacken und
Mützen in der Hand. Sie legten diese auf die Stühle in
ihrer Nische, die Pistolen darunter.
    Bert, der niemals Alkohol anrührte, trank Wodka pur.
»Eine beschissene Farce«, sagte er. »Wenn ich eines
hasse, Lieutenant, dann den beschissenen Halbtagsurlaub.«
    Daniel ließ sich nicht zum Narren halten. »Du hast
diese Frau gekannt«, meinte er.
    »Erinnere mich daran, niemals mehr einen Gig am Abend
anzusetzen, Lieutenant. Du rast dann herum wie der rollende Furz auf
der Gardinenstange. Jedesmal nur noch die frühen Morgenstunden,
und scheiß aufs Muster. Da gibt’s wenigstens keine
Störungen.«
    »Diese Frau hat dich nicht gekannt«, sagte Daniel,
»aber du hast sie gekannt.« Einmal wenigstens war er Bert
gegenüber im Vorteil. Das war der Frau zu verdanken. Er hatte
niemals Bert gegenüber im Vorteil sein wollen, aber da es jetzt
einmal so war, nutzte er es aus. Das war so, wenn man im Vorteil war.
»Du hast sie gekannt. Seitdem bist du völlig von der
Rolle.«
    Bert hatte nicht stillsitzen können. Er hatte die Tischdecke
geglättet, hatte sich gekratzt, war auf dem Hintern
herumgerutscht, hatte die Bierreklamen eine nach der anderen
gemustert. Jetzt hielt er still.
    »Sie gekannt, Lieutenant? Ich werd dir was sagen – ich
habe geglaubt, sie zu kennen. Ich werd dir noch was sagen –
einen Augenblick lang hab ich geglaubt, sie wär meine Tochter.
Erwachsen, meine ich. Aber sie war ihr nicht im geringsten
ähnlich.«
    »Deine Tochter?«
    »Als ich sie eingelassen habe. Aber sie war ihr, verdammt
noch mal, nicht im geringsten ähnlich.«
    Daniel war verwirrt. »Also haben wir sie abgeknallt. Das ist
dann doch in Ordnung.«
    »Es ist nicht in Ordnung.« Erschöpft schloß
Bert die Augen. »Was wir da so tun, verdammt. Denk mal
drüber nach!«
    Daniel versuchte es. Er sah jedoch lediglich, daß ihm der
Vorteil, dem ihm die Frau verschafft hatte, allmählich entglitt.
»Du hast nie was davon erzählt, daß du eine Tochter
hast.«
    »Genau.«
    »Aber…«
    »Ich habe eine gehabt, aber jetzt habe ich keine.« Er
öffnete die Augen und betrachtete Daniel voller Schmerz.
»Wir haben sie gerade abgeknallt.«
    »Aber du hast gesagt…«
    »Denk drüber nach!«
    Ein unbehagliches Schweigen lag zwischen ihnen. Daniel gefielen
die Widersprüche nicht, die Bert ihm vor die Nase knallte.
Spielte er irgendein Spiel? Hatte er eine Tochter oder nicht? Hatten
sie sie abgeknallt oder nicht? Er geriet wieder ins Hintertreffen,
und das gefiel ihm nicht.
    Verbissen kehrte er zum Anfang zurück. »Du hast eine
Tochter gehabt, der diese Frau da nicht im geringsten ähnlich
war. Wir haben diese Frau abgeknallt, und jetzt sagst du, du
hättest keine Tochter. Das ergibt keinen Sinn.«
    Bert leerte sein Glas und beugte sich, jäh gehässig,
über den Tisch. »Die Flittchen, die du abmurkst,
Lieutenant. In deinen freien Nächten. Ergeben die einen
Sinn?«
    Daniel sah ihn mit offenem Mund an, völlig überfahren
von der wilden Heftigkeit seines Angriffs. Von der Bösartigkeit.
Das Blut pochte ihm im Gesicht. Die Haarwurzeln stachen wie
heiße Nadeln. Seine Gedanken wirbelten durcheinander. Er konnte
nicht sprechen. Konnte sich nicht bewegen.
    Bert beugte sich näher heran und bleckte die Zähne.
»Das Flittchen vom vergangenen Jahr, Lieutenant. Von diesem
Frühling. O Bert, ich war völlig von der Rolle, Bert. O
Bert, ich konnte nicht anders, Bert. O Bert, die häßliche
Welt hat mir häßliche Dinge angetan… Sinn,
Lieutenant? Mach doch keinen Narren aus mir!«
    Daniel konnte sich noch immer nicht rühren. Er sah Berts
häßliche, speichelnasse Zähne, die festen,
häßlichen Lippen. So etwas hatte er nie gesagt. Er
leugnete es. So etwas hatte er nie gesagt. Keiner von ihnen beiden
hatte so etwas gesagt. Niemals. Jene Nächte waren etwas
völlig anderes.
    Bert hatte dazu kein Recht. Jene Nächte waren etwas
völlig anderes. Jemand völlig anderes.
    Bert hatte

Weitere Kostenlose Bücher