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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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Nullpunkt, und
sie drückte das Band mit einer chirurgischen Pinzette auf seine
Rollen zurück. Da die Kälte das Metall zusammenzog, hatte
sie es in ihr Taschentuch gehüllt.
    »Sie sehen aus, als ob Sie ein weiteres Paar Hände
gebrauchen könnten.«
    Harriet fuhr zusammen, ließ die Pinzette los, fing sie
jedoch auf, ehe sie in das Trockeneis fallen konnte, das die
Bandeinheit umgab. Über den Apparat gebeugt hatte sie Professor
Fovas nicht hereinkommen hören.
    »Lassen Sie mich helfen, Harriet. Ich glaube, ich sehe, wo
das Problem liegt. Reichen Sie mir das Metallineal
herüber!«
    Gemeinsam hebelten sie das Band auf seine Führungsrollen
zurück. Harriet schaltete wieder den Motor an. Die automatischen
Objektträger nahmen ihre Wanderung zum Mikroscanner wieder auf.
Sie schaltete ab. Der Zeittakt war durch das Anhalten unterbrochen
worden und mußte neu eingestellt werden.
    Vorsichtig wandte sie sich der Professorin zu. »Vielen Dank!
Ich hätte wohl stundenlang herumfummeln können.«
    Fovas lachte. »Zwei kostspielig ausgebildete
Wissenschaftlerinnen, ein Teil der am weitesten entwickelten
wissenschaftlichen Ausrüstung der Nation, und wir sticheln wie
Bauernknechte darin herum.«
    Harriet traute dem Gelächter nicht, der Vertraulichkeit. Sie
stopfte das Taschentuch in die Tasche ihres Overalls zurück.
»Ich habe gedacht, es ginge schneller«, meinte sie,
»als einen Techniker herbeizurufen.«
    Fovas lachte erneut. »Ist ja nichts passiert.« Sie hielt
inne. »Obwohl wir einen Wartungsvertrag haben. Eigeninitiative schön und gut, aber wir wollen doch die
Garantien nicht verfallen lassen.«
    Harriet gab keine Antwort. Fovas war eine Kuh mit verkniffenem
Gesichtsausdruck. Sie hatte der Vertraulichkeit zu Recht
mißtraut.
    »Dennoch bin ich nicht zum Kritteln hier.« Fovas blickte
sich in Harriets Arbeitsbereich um, blies die Wangen auf und klopfte
versuchsweise mit den Fingernägeln auf den Rand eines
gläsernen Meßbechers.
    Weswegen sind Sie hier? fragte sich Harriet. Andrea Fovas
glaubte an das Prinzip der Führung von oben. Auf den unteren
Ebenen ließ sie sich nicht häufig blicken.
    Die Professorin wanderte ziellos umher, verschob Dinge,
öffnete Schubladen ein kleines Stück und schloß sie
rasch wieder. Sie war eine ältliche Frau, hager und gerade, mit
Bürstenhaarschnitt, die einen makellos weißen Kittel trug.
Harriet hätte sich nicht gewundert, wenn sie auf der Suche nach
Staub mit dem Finger über eine Kante gefahren wäre.
    An der Tür blieb Fovas stehen. Sie fragte den Türrahmen:
»Wie kommen Sie hier voran, Harriet? Irgendwelche Probleme? Sind
Sie glücklich?«
    Jäh fiel bei Harriet der Groschen. »Eigentlich
möchten Sie wissen, Professor Fovas, was ich letzte Nacht drei
Stunden am Zentralrechner getan habe.«
    »Ganz und gar nicht. Ich bekomme alle Zugriffscodes zu
Gesicht. Ich weiß, was Sie getan haben.«
    »Und Sie wollen mir das untersagen.«
    Fovas wandte sich um. »Das hier ist keine Schule, Harriet.
Ich bin nicht Ihre Klassenlehrerin.«
    Harriet lehnte sich zurück. Sie hatte sich auf die Kante
ihres Labortischs gekauert. »Nein? Sind Sie nicht?«
    »Ich lasse mich von Ihnen nicht provozieren, Harriet. Das ist
zu kindisch. Ich habe Ihnen eine völlig vernünftige Frage
gestellt.«
    »Sie haben mich gefragt, ob ich glücklich
sei…« Harriet verschränkte die Arme. »Professor
Fovas, während meiner ersten beiden Jahre hier hat Unikhem mich
bei zwei- bis achtzelligen Embryonen im Vorstadium das Geschlecht
bestimmten lassen, und ich habe die männlichen Embryonen
für die Auflösungstest herausgepickt. Ich habe eine vierzig
Jahre alte Polymerasekette benutzt, weil sie zu knauserig waren und
kein Geld für etwas anderes ausgeben wollten. Eine Arbeit, die
ein Laborant im zweiten Lehrjahr hätte erledigen können.
Seitdem…«
    »Sie zeichnen ein schmeichelhaftes Bild unserer Laboranten,
meine Liebe.«
    »Seitdem, Professor, bin ich bei Ihrem
Gen-Vergleichsprogramm. Das ist nicht gerade die faszinierendste
Arbeit, aber ich bin hier noch immer ziemlich neu, und ich werde mich
gewiß nicht beklagen. Aber wenn Sie mich fragen, ob ich glücklich sei…« Harriet seufzte. »Der
Punkt ist, und das habe ich zuvor schon gesagt, der Punkt ist,
daß ich nicht mehr wirklich an UV-Strahlung als
auslösenden Faktor glaube.«
    »Nein, Harriet, ich fürchte, das ist nicht der
Punkt.« Fovas trat näher, nahm Harriets Hände in die
ihren und sagte sanft, von Frau zu Frau: »Der Punkt ist, meine
Liebe,

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