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MERS

MERS

Titel: MERS
Autoren: D.G. Compton
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verschüttete. Er versuchte,
Bert nach vorn zu ziehen, aber Berts Körper war starr und
zuckte, und seine Füße tanzten unter dem Steppbett aus dem
Krankenhaus. Im Tod war er stärker, als er die letzten vielen
Monate seines Lebens gewesen war. Daniel hielt ihn fest, bis er still
war.
    »Das wär’s dann, du blöder Ficker.«
    Er hatte Bert nie beim Namen genannt, hatte es nie gewagt, und
jetzt täte er’s auch nie mehr. Der steife Körper hatte
sich entspannt, also entfernte er das gewölbte Ruhebett und
legte Bert hin. Er ging zum Fenster und blickte hinaus auf die von
der Außenbeleuchtung erhellten Bäume. Er schaltete die
Außenbeleuchtung ab. Nach einer Weile hatten sich seine Augen
angepaßt, und er sah die Schatten, die der Mond warf. Er drehte
sich zu dem toten Mann auf dem Bett um. Er sah ihn jetzt ebenfalls
an.
    Bert war, wenn man alle Anzeichen zusammenfügte, eine geraume
Weile gestorben. Das Haar war ihm bis auf wenige Büschel
ausgefallen, was schlimmer aussah, als wenn er kahl gewesen
wäre. Er war bis auf die Knochen abgemagert. Die nackten
Unterarme auf dem Steppbett zeigten verschwollene Handgelenke, dann
einen Knochen und Muskelstränge. Die geschlossenen,
fischweißen Augenlider glitzterten am Grund tiefer, runzliger
brauner Höhlen. Auf dem sehnigen Hals und in dem V seiner
Schlafanzugjacke zeigten sich gesprenkelte Narben von Sarcomae. Die
Wangen über den fehlenden Zähnen waren eingefallen, und die
Fingernägel waren grau…
    Daniel kehrte zum Bett zurück. Er drückte die Lippen auf
Berts tote, papierne Stirn. Er räusperte sich und wappnete sich
innerlich. Dann ging er zum Waschbecken in der Zimmerecke,
füllte eine Schüssel mit heißem Wasser und spritzte
Kölnisch Wasser darüber. Er setzte die Schüssel auf
den niedrigen Tisch neben dem Bett und wusch Bert mit einem weichen,
weißen Tuch das Gesicht und den fleckigen, toten Mund. Er
rollte die Steppdecke hinab und legte sie vorübergehend auf den
Sitz beim Fenster. Bert trug keine Schlafanzughose, lediglich eine
Windel. Daniel öffnete die Windel, entfernte sie, spreizte Berts
Beine, hob ihn hoch und wusch ihn. Er wog nicht mehr als ein
Holzscheit. Dünne gelbe Scheiße war um die Hoden herum
ausgelaufen. Daniel wusch sie weg. Das Schamhaar war aus
Hygienegründen abrasiert worden.
    Nachdem Daniel mit dem Waschen fertig war, puderte er ihn ein, zog
ihm eine frische Windel an und legte ihm wieder das Steppbett
über. Dann steckte er seine Karte ins Telefon und rief den
Arzt.

 
Der Bevölkerungsrückgang
Jahr 40: Anfang November
13
     
    Sie hatten Annie entführt, sagte Mark zu mir. So vereinfachte
sich mein Leben. Endlich war es einfach. Hoffentlich können Sie
das verstehen.
    ›Sie‹ erwiesen sich als eine Frau, die vorgab, zur SPU
zu gehören, und das war ebenfalls einfach. Sie war mittels ihres
Ausweises eingedrungen und hatte dann ihre Pistole gezogen. Ich
erinnerte mich gut an diesen Ausweis. Jeder Bürger sollte einen
Kurs über Ausweise belegen – ich, ich hätte alles
akzeptiert, was nicht gerade wie eine Abholkarte für die
chemische Reinigung aussah. Sie hatte eine Nonne erschossen, eine
andere in den Arm geschossen und eine dritte in beide Beine. Die
Nonnen waren tapferer als ich, ich hatte lediglich Elvis sterben
sehen müssen, und dann hatte sie Annie entführt.
    Also war mein Leben einfach. Die gestohlenen Forschungsergebnisse,
das Einreichen der Patentrechte, mein Artikel für Natur, das zählte nicht mehr, ebensowenig wie Natalya und ihre
Faxverbindung zu Unikhem. Es zählte nicht mehr, was sie Danno
antun würden. Mama hatte gesagt, ich sei hart. Die Äbtissin
hatte gesagt, ich sei zäh. Hannes Vrieland hatte gesagt, bei
jedem Konflikt zwischen meiner Arbeit und meiner Tochter gäbe es
am Ergebnis keinen Zweifel. Wahr, alles wahr. Lügen, alles
Lügen.
    Ich fragte Mark: »Was sagt die Polizei?«
    Er blickte über die Schulter zum Rückfenster des Taxis
hinaus. »Wir haben es ihnen nicht gesagt. Milhaus hat eine
Botschaft geschickt, niemandem etwas zu sagen.«
    Nicht, wenn wir Annie lebend zurückbekommen wollten.
Natürlich.
    »Sie hat gesagt, sie bliebe in Verbindung.«
    Ich sagte zu ihm: »Ich habe gestern mit Marton gesprochen. Er
meinte, sie sei nicht in der SPU. Er hat die Aufzeichungen
überprüft. Sie ist auch keine reguläre
Polizistin.«
    Mark nickte. »Wer steht also hinter ihr? Sie weiß
zuviel, um selbständig zu arbeiten.«
    »Vermutlich Unikhem.«
    »Entführung und Mord? Könnte sein, vermute ich.
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