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MERS

MERS

Titel: MERS
Autoren: D.G. Compton
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glauben.« Er machte sich Sorgen um
mich. Er dachte an die verrückte Dame von gestern. Dazu hatte
er, mit Mama in der Familie, jedes Recht. »Du darfst nicht zu
rasch einlenken. Sie werden den Verdacht haben, daß du ein
falsches Spiel mit ihnen treibst.«
    »Ich mache es ihnen ziemlich einfach, Mark. Keine Spielchen.
Es ist einfach. Sie haben Annie.«
    »Was wirst du also bis zu ihrem Anruf tun?«
    »Meine Forschungsergebnisse sichten. Das hatte ich die ganze
Woche über vorgehabt.«
    Das Telefon klingelte. Mein Puls flatterte nicht. Es war zu
früh für sie. Auch wenn sie wüßten, daß
meine Leitung abgehört würde, und sie wußten alles
über mich, würden sie nicht das Telefon benutzen. Sie
würden über Marks Computerlink Kontakt aufnehmen.
    Der Anruf kam von Maggi. Sie erinnerte mich daran, daß ich
versprochen hatte, mit Natya zu reden. Das war gestern gewesen. Heute
hatte ich Natya nichts zu sagen. Heute war mir Natya
scheißegal. Ich schwindelte. Ich sagte Maggi, sie solle Natya
ausrichten, daß ich eigentlich Urlaub hatte, und sie solle ihr
weiter ausrichten, daß sie die erste wäre, die es
erführe, wenn es etwas gäbe, worüber sie sich Sorgen
machen müßte.
    Ich ging nach oben. Auf der Polizeistation hatte es eine Dusche
und eine Einwegzahnbürste gegeben, aber ich hatte in meiner
Unterwäsche geschlafen, und meine übrige Kleidung war zwei
Tage alt, die lange Nacht dazwischen eingeschlossen. Ich duschte
erneut und wusch mir das Haar. Ich mußte mir das Gefühl
verschaffen, die Oberhand zu haben. Ich kleidete mich in Rot und zog
Schuhe mit höheren Absätzen an.
    Ich kehrte nach unten zurück, und um die Dinge nicht
unnötig kompliziert zu machen, setzte ich mich an meine
Forschungsarbeit. Das Zeug, das Annie für mich am Samstag hatte
ausdrucken lassen, war bereits da, und ich benutzte Marks Equipment,
um Zugriff auf meinen Computer am Institut zu nehmen und den Rest
herüberzuholen. Ich arbeitete den ganzen Morgen über…
Es tat mir gut – während der letzten sieben Tage war ich in
Verschwörungen verstrickt gewesen, und mir waren meine
unglaublichen Leistungen völlig aus dem Blick geraten. Mein Team hatte Unglaubliches geleistet. Ich baute es jetzt
zusammen, Jahr um Jahr, Schritt für Schritt. Wir befanden uns im
letzten Teststadium. Eine Impfstoff-Therapie, ein Impfstoff, den wir
erst auf Primatengewebe und dann auf menschlichem Gewebe
gezüchtet hatten, ein stabiler Impfstoff, ein Impfstoff, wirksam
gegen das künstlich hergestellte Paravirus, das vor vierzig
Jahren als Ergebnis einer rücksichtslosen Kriegshandlung aus dem
Biberianischen Forschungszentrum nahe Kanno freigesetzt worden war,
ein Paravirus, das wir verantwortlich hielten für die weltweite
Ausbreitung des MERS, jenes Syndroms, das uns alle in das
verzweifelte vierzigste Jahr des Bevölkerungsrückgangs
geführt hatte.
    Es war ein Wunder. Ich nenne es heute so, wie ich es damals
genannt habe. Jetzt ist es ein Gemeinplatz, damals war’s ein
Wunder. Die Woche, die ich nicht daran gearbeitet hatte, hatte die
Erregung noch gesteigert. Ich vergaß Annie.
    Ich arbeitete den ganzen Morgen über und bis in den
Nachmittag hinein. Mark schlich auf Zehenspitzen um mich herum. Er
liebte Annie ebenfalls, ihm fehlte eine Beschäftigung, und er
machte sich Sorgen. Kein Wort von den Entführern. Ihr Motiv war
ihm nicht einsichtig. Er konnte sich nicht vorstellen, was sie haben
wollten.
    Ich hatte mich aus ihren hinterhältigen Überlegungen
lieber herausgehalten, aber während ich die Abschnitte meiner
Forschungsarbeit zusammenbaute, unserer Forschungsarbeit, sah ich
allmählich klar, ohne es zu wollen.
    Vor einigen Jahren hatte ich eine Zeitsekretärin gehabt.
Maggi hatte sie auf die Computerfiles losgelassen. Mit einer
Anweisung, die so falsch gewesen war, daß sie alle für
unmöglich gehalten hatten, hatte sie mich einer Unmenge meiner
Forschungsergebnisse beraubt. Unserer Forschungsergebnisse.
Sie fehlten mir jetzt für die Zusammenstellung meiner
Forschungsarbeit, unserer Forschungsarbeit, und das gälte –
wenn sie meine Ergebnisse jemals nachvollziehen, ganz zu schweigen
davon, einen eigenen Impfstoff herstellen wollten – auch
für sie.
    (Meine Forschung, unsere Forschung – ich spiele kein
Spiel. Meine Heilbehandlung, unsere Heilbehandlung; meine
Therapie, unsere Therapie. Damals korrigierte ich mich nicht
so oft, und wenn, dann war’s zumeist ein Lippenbekenntnis. Ich meinte meine Forschungsarbeit, ganz und gar meine. Meine
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