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MERS

MERS

Titel: MERS
Autoren: D.G. Compton
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zum
Veröffentlichen, meine zum Weggeben für Annie. Aber ich
korrigiere mich hier um der Genauigkeit willen und um mit meinem
neuen, selbstlosen Ich anzugeben.)
    Der Zeitsekretärin waren meine Kopien im Computer
verlorengegangen. Das Original wieder in die Finger zu bekommen,
würde mich dorthin zurückbringen, wo die Arbeit angefangen
hatte, zurück zum Windstrohm, zu Brandt, in meine Kindheit.
    Ein Muster? Schicksal? Ordnung? In der Vergangenheit, als ich es
mit dem Syndrom in Zusammenhang gesehen hatte, hatte ich von
Rechtmäßigkeit gesprochen. Mark hatte mich des Gaianismus
beschuldigt, und ich hatte keine Antwort parat gehabt. Tatsache war,
daß ich eine Antwort parat hatte, deren Banalität mich
jedoch auf die Palme brachte. Die Banalität von Mustern, ein
Glaube ans Schicksal, an kosmische Ordnung jagte mich auf die Palme.
Alles wird immer besser? Jesses… Dennoch war ich die
Problemlöserin, und Probleme waren zum Lösen da.
    Um drei Uhr nachmittags schalteten sich die Entführer durch.
Marks Computer biepte. Wir verstanden, öffneten die
elektronischen Tore, ließen die Worte auf dem
volltransistorierten Weg in kleinen digitalen Paketen herabfliegen
und auf den Monitor werfen: WIR HABEN IHRE TOCHTER.
    Das hatte ich nie bezweifelt, aber sie schickten uns auch ein
Bild. Annie saß auf einem billigen Sofa in einem Raum, den ich
nicht kannte. Kein Ton, nur Annie in diesem Raum. Sie hatten ihr das
Haar abgeschoren. Schlimm sah es aus, nur Stoppeln hatten sie ihr
gelassen. Sie zupfte an den Stoppeln, lachte, munterte mich auf. Sie
sollte mich aufmuntern.
    Ich tippte ein: SAGEN SIE UNS, WAS SIE WOLLEN.
    Das Bild wurde von hübschen kleinen Zähnen aufgefressen.
Die nächsten Worte lauteten: WIR BESPRECHEN UNhS MIT UNSEREN
FREUNDEN.
    »Sie führen dich an der Nase herum«, meinte Mark.
»Sie wußten, was sie wollten, ehe sie Annie entführt
haben. Sie führen dich an der Nase herum.«
    Ich lächelte ihn an. »Das hast du bereits
gesagt.«
    Ich tippte ein: GLEICH, WAS SIE WOLLEN, SIE KÖNNEN ES
HABEN.
    Es folgte eine Pause. Meine Worte standen in einer grünen
Zeile unter den ihren. Ihre Worte waren rot.
    Mark sagte: »Ha! Das hat sie umgehauen.«
    Nicht lange. Weitere rote Worte. Nicht viele, bloß: BLEIBEN
SIE DRAN.
    Die roten Worte verschwanden. Meine grünen Worte hatten stets
blöd ausgesehen. Ganz für sich allein wirkten sie noch
blöder. Ich schickte sie auf den Friedhof der grünen Worte
zurück.
    Munter zu bleiben, fiel nicht leicht. Ich kehrte zu meiner
Forschungsarbeit zurück. Schritt für Schritt, Jahr um Jahr
sortierte ich die Tabellen, die Papiere, die Ergebnisse. Ich
wußte jetzt genau, was sie haben wollten. Alles übrige war
hier. Ich wollte es selbst.
    Mark reparierte den Handtuchhalter im Bad. Er hätte seit
Monaten repariert werden müssen. Aus keinem bestimmten Grund kam
er herab, den Schraubenzieher in der Hand, und fragte mich:
»Wann bist du gestern in der Straßenbahn gewesen, wo bist
du gewesen?«
    Ich legte mein Lineal als Markierung auf die Zeile, die ich gerade
las, und blickte auf. »Peter Simpson.«
    »Aha. Aha.« Es hatte ihn beschäftigt. Jetzt
wußte er es.
    Als er wieder nach oben ging, belohnte ich seine
Zurückhaltung, indem ich ihm hinterherrief: »Ich habe Peter
gefragt, welche Art von Rehabtherapie man Danno angedeihen lassen
würde. Er hat gesagt, Danno würde seine Brillanz
verlieren.«
    Munter zu bleiben fiel nicht leicht.
    Etwa gegen sechs Uhr brachte ein Mädchen einer Lieferfirma
ein kleines Paket. Ohne Absender. Es war sehr leicht, und ich
wußte, was es enthielt.
    Mark wußte es ebenfalls. »Verfluchte Sadisten!« Er
kippte Annies Haar auf den Küchentisch. Es war ganz bestimmt
Annies Haar. Ich fegte es zusammen und warf es weg. Yvette hätte
es wohl aufbewahrt.
    »Was nun?« fragte ich. »Ein Ohr?«
    Mark nahm meine Hände. »Du machst mir Sorgen. Du
solltest dich gehenlassen!«
    Ich löste die Hände. »Gestern habe ich mich
gehenlassen«, erzählte ich uns beiden. »Wenn sie das
nächste Mal anrufen, werden sie mir glauben. Keine Polizei. Kein
Theater. Gleich, was sie wollen, sie können es haben.« Ich
verschränkte die Arme. »Einverstanden, Mark? Du hältst
das für richtig?«
    Er seufzte. »Sie hätten es liebend gern, wenn wir uns
stritten.«
    Er war einverstanden.
    Erst um neun Uhr schalteten sie sich wieder zu.
    Biep. Weitere rote Buchstaben: SIE HABEN DAS HAAR, WIR HABEN DEN
KOPF.
    Sehr komisch.
    Weitere grüne Buchstaben: Ich sagte ihnen, gleich, was
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