Messertänzerin
was ich getan hätte. Ich habe Warkan verehrt, und mein Vater hat mir die Grundsätze der Sujim ins Blut gepflanzt, wo sie unverrückbar festsaßen. Bis ich sie dir beibringen wollte. Du hast von Anfang an alles infrage gestellt, was du lernen solltest. Im Gegensatz zu mir war ›Sujim‹ zu sein für dich nicht das höchste Ideal, du hast einfach ausgesucht, was dir daran gefallen hat. Alles andere hast du ausgespuckt wie die faule Stelle an einem Apfel.«
Divya lachte auf. »Und jetzt ist das richtig? Damals hast du mich gehasst für diese Haltung.«
Tajan seufzte und zog sie in seine Arme, wobei sein Mund leicht über ihr Ohr strich.
»Nein. Gehasst habe ich dich nie. Ich hatte nur Angst, dass ich eines Tages die faule Stelle in deinem Apfel sein könnte.«
Divya schob ihn zurück, bis sie ihm in die Augen sehen konnte.
»Das wirst du nie sein«, sagte sie leise.
Sein Kuss brachte ihre Atmung wieder durcheinander und sie spürte ihre Haut prickeln. Aber sie wusste, dass sie sich jetzt nicht fallen lassen durfte. Irgendetwas war da … eine Botschaft in dieser schrecklichen Geschichte, die sie bisher überhört hatte.
»Hast du eine Idee, was Warkan da zumauern ließ?«, fragte Divya nachdenklich, als sie sich von Tajan löste.
»Nicht die geringste«, erwiderte er. »Wie gesagt, es sah aus wie ein Kellergang. Vielleicht in den Kerker.«
»Hm …« Divya suchte noch immer in ihrem Unterbewusstsein nach dem fehlenden Hinweis. »Wann ist das genau passiert?«
»Vor vier Jahren. Wenige Wochen bevor ich an die Schule kam.«
Divya biss sich auf die Unterlippe. »Als du mich damals nach dem Einbruch verhört hast, sagtest du, dass der Fürst gerade die Mauer um das Viertel der Tassari bauen lässt. Dann ist beides also ungefähr zur gleichen Zeit geschehen. Ich glaube, das war kein Zufall.«
»Ich kann dir nicht folgen«, gab Tajan stirnrunzelnd zu.
Divya seufzte. »Ich bin nicht sicher, ob es einen Sinn ergibt. Aber das muss der Zeitpunkt gewesen sein, als Warkan von meiner Tante Verua erfuhr, dass die Tassari mit den Lichtern sprechen können. Und dass Verua von ihnen einen seltsamen Rat bekam, den sie gar nicht erfragt hatte: Die Wunden des Volkes heilt sein Wissen, es liegt verborgen unter seiner Asche.«
Tajan zuckte mit den Schultern. »Und?«
»Jidaho meinte, diesen Satz zu verstehen. Er glaubt, dass damit die alte Bibliothek gemeint ist und dass sie noch irgendwo da draußen auf der Flussinsel sein könnte. Warkan hat damals auf Veruas Worte ebenfalls reagiert, als sagten sie ihm etwas. Und ich denke, als er einen offenen Gang zumauern ließ, wollte er verhindern, dass jemand die Bibliothek findet. Gleichzeitig hat er die Tassari von den Städtern getrennt, damit meine Leute ihr Wissen über die Lichter mit niemandem teilen können.« Divya trommelte mit den Fingern gegen die Wand. »Aber ob es nur um diesen Hinweis auf die Bibliothek ging? Mein Gefühl sagt mir, dass er fürchtete, die Lichter könnten noch mehr erzählen. Welches Wissen könnte so gefährlich für ihn sein?«
Tajan schüttelte den Kopf. »Das mit der Bibliothek ist schon mal Unsinn. Sie lag sicher nicht in einem feuchten Keller, sondern in einem der oberen Stockwerke, und dort muss sie einfach verbrannt sein. Außerdem habe ich in dieses Loch tief hinuntergesehen. Der Fluss hat die Insel stark unterhöhlt. Da unten ist nicht nur ein bisschen Wasser, da ist ein unterirdischer Strom entstanden, der alles mit sich reißt. Falls da unten wirklich mal etwas lag, ist es schon längst weit fortgetragen worden. Wer weiß, wie lange es diese Insel überhaupt noch geben wird.«
Divya verzog enttäuscht den Mund. »Wir haben das Volk letzte Nacht von den Lichtern befreit, aber wie werden sie jetzt über Warkan denken? Irgendwie kann ich nicht glauben, dass wir damit alles geändert haben. Die Menschen haben sich so lange schon seiner Unterdrückung gefügt. Wir brauchen handfeste Beweise.«
Tajan nickte. »Ein festes System ins Wanken zu bringen dauert sicherlich Jahre.«
Divya schüttelte den Kopf. »Aber das darf es nicht! Wir sind so weit gekommen, und jeden Tag lässt Warkan wieder Menschen leiden, nutzt sie aus oder tötet sie sogar! Alles, was wir brauchen, sind ein paar gute Argumente, die die Leute dazu bringen, über die Regierung zu reden!«
»Reden …?« Tajans Lächeln zeigte einen Hauch von Mitleid, und das brachte Divya erst recht in Fahrt.
»Warkans Macht basiert doch darauf, dass jeder Angsthat, sein Nachbar könnte
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