Messertänzerin
ihn verraten. Jeder Einzelne glaubt, dass alle anderen hinter der Regierung stehen. Ja, wenn sie endlich reden würden … Als ich auf den Marktplätzen getanzt und nach den Rebellen gerufen habe, da konnte man es ganz kurz beobachten: Sie waren nicht nur ängstlich, sondern zutiefst verunsichert. Und als ich ihnen gezeigt habe, dass die Wachen mich nicht fangen konnten, dass ich einen Augenblick lang über Warkans Macht stand … da haben einige von ihnen gelacht. Sie haben Warkan ausgelacht! Das ist doch ein Zeichen, oder? Sie wollen glauben, dass es möglich ist!«
Tajan lächelte. »Bei dir klingt das so einfach. Aber ich denke nicht, dass Menschen aus ihrer sicheren Gewohnheit so leicht ausbrechen können.«
Divya spürte, wie ihr Atem schneller ging, je stärker sie an ihre Hoffnung glaubte. Wenn die Menschen nur einmal ihre Welt infrage stellen würden …
»Wirst du mir trotzdem helfen, die geheime Bibliothek zu finden?«, fragte Divya Tajan, der inzwischen angezogen vor ihr stand und sie gerade umarmen wollte. Doch als er ihre Worte hörte, zog er die Hände zurück. Die düstere Wolke legte sich wieder über seinen Blick.
»Nein«, flüsterte er erschrocken. »Ich kann diese Insel nie wieder betreten. Schon gar nicht mit dir. Hast du nicht zugehört? Das letzte Mal sind sechs von acht Menschen gestorben, die dort waren.«
Divya nickte langsam und versuchte, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. »Ich kann dich verstehen«, sagte sie. »Du musst auch nicht mitgehen, wenn du nicht willst. Ich werde ein paar Rebellen mitnehmen. Jidaho gibt mir bestimmt …«
»Du wirst gar nicht hingehen!«, sagte Tajan in einem Ton, den Divya nicht einmal aus ihren härtesten Übungsstunden mit ihm kannte.
Sie hob den Kopf und sah ihn herausfordernd an.
»Wage es nicht, mir etwas zu befehlen. Ich bin frei! Und was zwischen uns geschehen ist, gibt dir keine Besitzrechte!«
Tajans Augen funkelten ebenso dunkel wie ihre eigenen. Aber seine Finger berührten ganz sanft ihre Wange. Er zögerte, sog Luft in die Lungen und stieß sie wieder aus.
»Du bist verrückt!«
Divya zuckte mit den Schultern und wollte sich abwenden, aber er hielt sie am Arm fest.
»Wenn du dich nicht davon abbringen lässt, gehe ich mit. Aber ich wäre dir dankbar, wenn du dir überlegen würdest, was du da tust!«
Divya legte ihre Hand auf seine. »Das tue ich immer. Auch wenn es nicht immer danach aussieht.«
Tajan zu überreden, sie zu den Rebellen zu begleiten, war mindestens ebenso schwierig. Vor allem, da er nicht einsah, wozu er mit ihnen zusammenarbeiten sollte. Als ehemaliger Wächter war seine Meinung von diesen Leuten nicht allzu hoch. Außerdem vermutete Divya insgeheim, dass er noch immer fürchtete, sie könne plötzlich schmachtend in die Arme von Roc sinken, denn als sie seinen Namen kurz erwähnte, verdüsterte sich Tajans Miene – wodurch sich Divyas Laune stark verbesserte.
Jidaho, Roc und vor allem Jolissa hatten sich bereits Sorgen gemacht, als Divya nicht mehr von sich hören ließ. Schuldbewusst nahm Divya ihre Freundin in den Arm undfreute sich, sie hier so sicher und den Umständen entsprechend fröhlich zu sehen. Dann setzte sie sich zu Jidaho auf einen Stuhl, diesmal in der Wohnstube eines sehr einfachen Hauses, dessen Besitzer mit seiner Familie letzte Woche ins Gefängnis gekommen war, weil er die Steuern nicht zahlen konnte.
Ausführlich erzählte sie Jidaho und den anderen Anwesenden, Leasar und ein paar Männern, von ihrem Erlebnis im Turm und davon, dass Sannean der Magier war, der Warkan zu seiner Macht verholfen hatte. Als Divya an der Stelle angelangt war, an der Tajan den Magier tötete, legte sie die Hand auf Jidahos Arm und sah ihn eindringlich an.
»Bitte, du musst Maita davon erzählen. Nur du wirst die richtigen Worte finden.« Sie rang um die richtige Formulierung. »Du kanntest Sannean und … er ist in den letzten Jahren wohl ein anderer Mensch geworden. Warkan hat ihm genau die Lügen erzählt, die nötig waren, um ihn zu zerbrechen. Er klang so bitter, so enttäuscht, und ich glaube, dass er Maita wirklich geliebt hat.« Sie griff nach Tajans Hand, der direkt hinter ihr stand. »Aber sag ihr auch, dass uns keine andere Wahl blieb. Wenn Tajan ihn nicht getötet hätte, dann hätte Sannean mich getötet. Mit seinen Lichtern beherrschte er meinen Willen. Den Willen der ganzen Stadt. Seine Macht zu brechen war der einzige Weg.«
»Hast du ihm gesagt, dass Maita lebt?«, fragte
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