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Messertänzerin

Messertänzerin

Titel: Messertänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rauchhaus
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beim Aufwachen mit dem Messer drohst?«
    »Vor niemandem«, sagte Tajan, ohne sie anzusehen.
    Divya lehnte sich im Sitzen an seine Schulter. »Gehören Ängste zu den Dingen, über die du nicht einmal mit der Frau reden möchtest, mit der du gerade die Nacht verbracht hast?«
    »Den Tag«, korrigierte Tajan mit einem Lächeln. »Aber ich habe keine Angst.«
    »Alle Menschen haben Ängste«, widersprach Divya.
    »Erzähl«, flüsterte Tajan und strich mit dem Handrücken über ihre Nackenbeuge. »Wovor hast du Angst? Davor, die Tassari zu verlieren, weil du deine Familie eben erst gefunden hast?«
    Divya seufzte. »Ja, das sicher auch. Aber seit einiger Zeit habe ich die größte Angst davor, zu erfahren, wer mein Vater ist. Und gleichzeitig davor, niemals zu erfahren, wer er ist.«
    Tajan nickte und zog sie mit dem Arm näher an sich heran. »Was weißt du denn über ihn?«
    Divya erzählte, was Keiroan ihr gesagt hatte, und Tajan hörte schweigend zu. Schließlich atmete er tief durch. »Du weißt also, dass er im Palast gelebt hat und dass deine Mutter ihn fürchtete. Das ist nicht viel.«
    »Es ist genug«, sagte Divya sehr leise und starrte in die mondhelle Nacht. »In letzter Zeit hatte ich nicht viel Gelegenheit nachzudenken. Aber je mehr ich es tue … Kommt da nicht nur einer infrage? Wer hatte die Macht, Wachen zu schicken, um meine Mutter und mich suchen zu lassen – und sie zu töten?«
    Tajan drückte sie an sich. »Hör auf. Im Palast gibt es viele hohe Herren … Vielleicht hat sie sich in einen von ihnen verliebt? Oder in einen Diener? Im Palast leben so viele Männer …«
    Divya wusste, dass er log, um sie nicht zu verletzen. Sie hatte längst die Vermutung, dass die Verbindung ihres Vaters und ihrer Mutter nichts mit Liebe zu tun gehabt hatte.
    »Meine Ängste kann ich damit nicht besänftigen.«
    Tajan schwieg. Der Griff seines Arms ließ nach, als wäre er in Gedanken wieder weit fort. Schließlich holte er zweimal Atem, als wollte er etwas sagen. Aber erst im dritten Anlauf brachte er es über sich.
    »Meine größte Angst hat mit einer Schuld zu tun. Ich habe Unglück über unsere Familie gebracht, weil ich etwas Schreckliches getan habe.«
    Divya betrachtete sein Gesicht mit gerunzelter Stirn. Es war plötzlich so leer, als hätte eine schwarze Wolke die Stelle seiner Seele eingenommen.
    »Erzähl mir davon«, sagte Divya mit sanfter Stimme.
    Er sah ihr fest in die Augen. »Vielleicht ist es besser, du kennst die Geschichte. Aber ich habe Angst, dich dadurch zu verlieren. Ja, ich habe Ängste! Und diese ist seit heute stärker als alles andere. Bitte … hasse mich nicht!«
    Divya erwiderte seinen Blick. »Das könnte ich gar nicht.«
    Er wich ihr aus. »Doch, das wirst du«, flüsterte er.
    Sie schüttelte beschwörend den Kopf und wartete.
    »In einer Nacht wie dieser«, begann er sehr leise, »unter einem hellen Mond, rief Warkan seine Wache zusammen und bat vier Freiwillige vorzutreten, um ihn auf einer nächtlichen Mission zu begleiten. Wir alle wünschten uns Abwechslung, und es meldeten sich mehr als vier, aber ich war dabei. Warkan nahm uns und drei Maurer mit auf die Flussinsel.«
    »Zur Ruine des ausgebrannten Palastes?« Divya streichelte seinen Arm und erschrak über die Gänsehaut unter ihren Fingern.
    Tajan nickte. »Ich kenne keinen anderen Ort, an dem die Tiere und selbst der Wind schweigen. Sogar der Mond wirkte blasser, sobald wir das andere Ufer erreicht hatten. Warkan führte uns zu den schwarzen Überresten des Palastes. An einer Stelle ist der Boden nach unten durchgebrochen, man hört tief unten in dem Loch den Fluss. Daneben ragen schwarze Mauern hoch, aber unten sehen sie aus wie aufgerissen, als könnte man in die Eingeweide des Palastes hinabsehen. Dort beginnt ein Gang, der früher vielleicht einmal in den Keller geführt hat. Damals vermuteteich dort alte Kerkeranlagen. Jedenfalls befahl Warkan den Maurern, den Gang zu verschließen. Drei Wächter sollten ihnen dabei helfen und passende Steine suchen. Einer von uns wurde ausgelost, um Wache zu stehen. Das Los fiel auf mich. Und so wanderte ich einige Stunden von einem Ufer zum anderen.«
    »Wer sollte euch denn stören? Vor wem hatte Warkan Angst?«
    Tajans Blick streifte sie nur, als könnte er in der Ferne etwas anderes sehen. »Er wollte verhindern, dass irgendjemand zufällig beobachtete, was in dieser Nacht geschah.«
    Divya wartete geduldig. Auch wenn Tajan zögerte, spürte sie, dass er die Geschichte heute

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