Messertänzerin
spät.«
»Aber …« Divya runzelte die Stirn und gab es dann auf. »Ich verstehe nicht ganz …«
»Beim Palastbrand hatten wir uns aus den Augen verloren, ich wusste nicht einmal, ob er lebte. Im Gefängnis sagte man mir, dass er dort sei, aber niemand konnte mir Genaues sagen. Als ich befreit wurde, war er schon weg, und jahrelang versuchte ich, ihn zu finden. Deshalb habe ich die Lichter befragt. Immer und immer wieder.«
Tajan warf Divya einen zweifelnden Blick zu, aber Divya spürte, dass sie diesmal die Wahrheit sagte.
»Eines Tages erfuhr ich von ihnen, dass er noch lebte – und dass er für Warkan arbeitete. Ihr müsst mir glauben, als ich ihn kennenlernte, war Sannean ein überaus begabter Magier und ein guter Mensch. Aber etwas muss ihn gelockt haben.« Maita fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht. »Von den Lichtern erfuhr ich nicht viel über ihn. Er schaffte es, sie abzuschotten, sodass ich nicht einmal herausfand, wo er sich befand. Deshalb schloss ich mich den Rebellen an. Ich wollte seinen Verführer Warkan tot sehen und Sannean finden, um ihn von dem Einfluss zu befreien. Ich erfand Möglichkeiten, alle wichtigen Männer der Stadt zu belauschen – durch die Sorgensteine –, und doch gab es keinen Hinweis auf Sannean. Nur einmal. Als eines Tages ein junges Mädchen vor meiner Tür stand und mir erzählte, die Lichter hätten es zu mir geführt. Im Arm hielt sie das einzige Kind von Sannean.«
Maitas Blick durchbohrte Divya, aber plötzlich verlor er an Schärfe und wurde weich.
»Deshalb habe ich dich geliebt. Und gehasst. Ich habe dich beschützt und hätte dich manchmal gern getötet. Du warst ein Teil von ihm. Und der ständige Beweis für seine Untreue.«
»Hat er meine Mutter denn … geliebt?«, fragte Divya zweifelnd.
Maita schnaubte. »Das glaube ich kaum. Er hat die Macht seiner Lichter genutzt, um seiner Einsamkeit zu entfliehen, und hat eine Frau in seine Räume gelockt. Aber nur einmal. Warkan muss so getobt haben, dass die Frau entsetzliche Angst vor ihm bekommen hat. Er wollte das Kind töten, weil er glaubte, dass es die Fähigkeiten der Tassari und der Magier in sich vereinte.«
Tajan griff nach Divyas Hand und drückte sie.
»Warum hast du die Mutter des Kindes nicht gefragt, wo Sannean ist?«, fragte Tajan.
»Sie wusste es nicht. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wie sie zu ihm gekommen war.«
Divya legte zögernd eine Hand auf Maitas Arm.
»Danke! Auch wenn wir wohl niemals Freundinnen sein werden, ich verdanke dir mein Leben – und gleichzeitig die schrecklichste Zeit meines Lebens.«
»Ich weiß«, sagte Maita mit starrem Blick. »Mir ging es genauso.«
Ruckartig wandte sie sich ab und war plötzlich in der Menge verschwunden.
Inzwischen herrschte eine unruhige Aufbruchstimmung auf dem ganzen Platz, überall gab es Diskussionen darüber, wer die Stadt nun regieren solle. Yorak und Jidaho versuchten sich Gehör zu verschaffen und schlugen vor, erst einmal mit den Beratern Warkans zu sprechen undsie über die veränderte Lage aufzuklären. Danach sollte es etwas geben, was es seit fünfundzwanzig Jahren nicht mehr gegeben hatte: öffentliche Wahlen. Die Welt hatte sich verändert, nicht durch einen Mordanschlag, sondern weil die Menschen wieder wagten, ihre Welt infrage zu stellen.
Divya, die Tajans Nähe hinter sich spürte, lehnte sich mit geschlossenen Augen nach hinten gegen seine Brust. Dass er so ganz selbstverständlich da war – ein ganz neues Gefühl, das sie jetzt hätte auskosten können. Aber Maitas Worte lasteten auf ihrer Seele wie Blei.
»Sanneans Kind«, sagte sie leise. »Ich bin das Kind einer Verbindung, zu der ein machthungriger Magier meine Mutter gezwungen hat. Ich dachte immer, ich gehöre zur untersten Kaste der Stadt. Aber ich bin noch viel weniger.«
Tajan legte die Arme um sie, obwohl sie ihn abwehrte, und hielt sie ganz fest, bis sie endlich nachgab und sich fügte.
»Wer bist du?«, fragte er sanft. »Als ich dich kennenlernte, glaubte ich noch, wir wären alle Teil unserer Kaste. Nachfolger unserer Väter und Mütter. Auf einem Weg, der vorgezeichnet ist und den man nicht verlassen darf.«
Er drehte sie so zu sich, dass er ihr fest ins Gesicht sehen konnte.
»Du hast alles verändert. Die Tassari befreit, die Rebellen aufgerüttelt und den Menschen die Augen geöffnet. Du hast mir beigebracht, dass man seinen Weg selbst bestimmen kann. Durch dich weiß ich, dass alle meine Entscheidungen bei mir liegen. Alles, was ich
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