Messertänzerin
lächelte er. Er konnte lächeln? Divya hätte gedacht, dass es überhaupt nicht zu ihm passte – doch es stand ihm.
»Gut beobachtet. Tatsächlich bin ich nicht auf den Dieb aufmerksam geworden, sondern auf jemanden auf dem Dach, den ich nicht genau erkennen konnte. Der Jemand, den ich für einen Einbrecher hielt, war ein tanzendes Mädchen. Aber ohne diesen Zufall hätte ich den echten Dieb nicht verfolgen können.«
Seine Augen blitzten und Divya musste den Blick abwenden. Er hatte sie gesehen! Wie viel hatte er gesehen?
»Wenn wir beide nicht mehr darüber reden, wird es niemand erfahren.«
Sie schluckte. Und hätte jetzt alles für eine Maske gegeben.
»Weiß man denn, wer der Einbrecher war?«, fragte sie, ungeachtet der Röte in ihrem Gesicht.
»Tassari!« Der Wächter stieß das Wort durch die Zähne wie den Namen einer schrecklichen Krankheit. »Du solltest gut auf dich aufpassen! So wie meine Männer vorhin reagieren viele Bürger derzeit auf schwarzes Haar, und manch einer wurde schon schneller verhaftet, als Beweise gegen ihn gefunden werden konnten.«
Divyas Finger krallten sich noch tiefer in den Sack Reis als vorher.
»Keine Sorge, Maita hat mir deine Kaufpapiere gezeigt, und ich weiß, dass du nicht zu diesem Volk gehörst. Damit stehst du natürlich auch nicht mehr unter Verdacht.«
Dann hatte sie also unter Verdacht gestanden? Divya spürte, wie ihr Herzschlag sich wieder beschleunigte. Bisher hatte sie immer in dem Bewusstsein gelebt, dass niemand außer Maita Macht über sie besaß. Ihre Welt endete an den Mauern dieser Schule.
»Was wäre passiert, wenn ich eine Tassari wäre?«
Das Gesicht des Hauptmanns wurde düster. »Bisher hat der Fürst die Tassari in seiner Stadt geduldet und akzeptiert, dass die Menschen ihnen Arbeit gaben, für die sie niemand anderen finden konnten. Aber in den letzten Wochen haben sie eine Serie von Einbrüchen verübt, bei denen oftmals harmlose Bürger und ihre Diener getötet worden sind. Heute Morgen hat der Fürst entschieden, dass das Viertel der Tassari von einer hohen Mauer eingefasst werden soll.«
Der Hauptmann stand auf und Divya folgte ihm zur Tür. Eine Frage brannte noch auf ihrer Zunge.
»Was ist ein Sujim?«
Erstaunt wandte er sich zu ihr um. »Etwas Ähnliches wie ein Diener.« Trotz seiner Worte lag Stolz in seiner Stimme. »Wir suchen uns einen Herrn, dem wir bedingungslos folgen. Wir sind für ihn Augen, Ohren und Schwert. Wenn nötig bis in den Tod.«
»Und wer ist Euer Herr?«
»Bis heute Morgen habe ich dem Fürsten gedient, in der Stadtwache«, erwiderte er, während er die Tür öffnete. »Auf seinen Wunsch hin ist meine Aufgabe aber ab sofort der Schutz dieser Schule. Ich habe mich mit Maita darauf geeinigt, dass meine Männer das Gebäude von außen bewachen. Und ich darf mich ab heute überall frei bewegen und alles tun, was für die Sicherheit nötig ist.«
Divya hielt den Atem an. Er würde also bleiben! Diese Vorstellung beunruhigte sie. Sie mochte vielleicht keine Tassari sein, aber es war ein ungutes Gefühl, dass nur ein dünnes Stück Papier zwischen ihr und dem Gefängnis lag.
»Steht schon fest, wie lange Ihr bleibt?«, rutschte es Divya heraus.
Der Hauptmann schien einen Moment in sich zu horchen, als müsste er die Antwort erst finden. »Das wird der Fürst entscheiden. Aber ich glaube nicht, dass diese Schule je wieder ohne Schutz sein wird.«
Divya zuckte leicht zusammen. Bisher hatte alle Macht innerhalb dieser Mauern bei Maita gelegen, aber der Sujim hatte gesagt, er habe sich mit ihr geeinigt. Niemand einigte sich mit Maita. Es musste einen Befehl von ganz oben gegeben haben. Jetzt verstand Divya ihre Versuche, denVorfall letzte Nacht zu vertuschen. Der Wortwechsel mit dem Sujim war in Wirklichkeit ein Kampf gewesen – um die Alleinherrschaft. Maita hatte ihn verloren und musste nun das Schlimmste erdulden, was es in ihren Augen geben mochte: einen Mann an ihrer Schule!
Am späten Nachmittag ließ Jolissa Divya von einer Dienerin ausrichten, sie brauche dringend ihre Hilfe, ihre Zöpfe würden sich lösen. Divya war von Maita zum Bodenwischen eingeteilt worden, aber als Mädchen in Blau hatte Jolissa Vorrang vor allen Pflichten. Vor ihrer Tür verneigte Divya sich angemessen und trat ein, aber als die Tür geschlossen war, schenkte sie ihrer Freundin ein offenes Lächeln.
»Du musst dir demnächst etwas anderes einfallen lassen, dein Haar sitzt immer so perfekt, das glaubt dir doch niemand
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