Messertänzerin
schlechte Nachricht: Ergehört zu den Rebellen. Sie haben mich beauftragt, Warkan zu töten.«
»Roc hat dich beauftragt?«
»Er sollte mir dabei helfen. Der Auftrag kam von Maita.«
Jetzt verlor Jolissa völlig die Fassung. Sie hob die Hände zum Gesicht, als wollte sie es mit Wasser abspülen und blieb eine Weile so sitzen.
Divya legte eine Hand auf Jos Schulter. »Die Welt hier draußen ist so anders, als ich sie mir vorgestellt habe … Aber bitte erzähl niemandem etwas von diesem Gespräch, ja?«
Jolissa nickte und nahm die Hände vom Gesicht. »Glaubst du, ich könnte irgendetwas tun, was dir oder Roc schadet?«, flüsterte sie.
Divya hob die Augenbrauen. »Sprechen wir über den gleichen Mann? Den, der dich auf einem geschmückten Pferd zu Warkan gebracht hat?«
»Zur prächtigsten Hochzeit seit Jahrzehnten«, ergänzte Jolissa mit grimmigem Lächeln. »Und du hast recht, dass ich Roc das niemals verzeihen werde. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich ihm den Tod wünsche.«
»Wie ist es mit Warkan?«, fragte Divya mit gerunzelter Stirn. »Ist es … schlimm?«
»Was genau?«, fragte Jo pampig zurück. »Die Nächte mit einem alten Mann, für den mein Vater seit Jahren arbeitet und über den er mal gesagt hat, er sei gefährlich? Oder das Alleinsein in einem Palast, in dem alle vor mir auf die Knie sinken? Oder meinst du das Gefühl, das ich hatte, als du mit Roc in die Stadt hinausgeritten bist, während ich euch vom Balkon aus nachsehen durfte?«
»Glaub mir, mit jedem anderen Mann wäre ich lieber geflohen«, protestierte Divya verärgert.
»Mein Sorgenstein quillt bereits über, wenn ich mit ihm rede. Über die Erkenntnis zum Beispiel, dass Warkan mich nur haben wollte, weil er damals meine Mutter nicht bekommen hat. Und darüber, dass er eine Geliebte im Westturm hält, die niemand sehen darf, die er aber täglich besucht. Nun, vielleicht gehört das zu den guten Dingen, und ich sollte froh sein, dass er mich nicht so oft behelligen wird.«
Divya wurde rot und starrte wieder auf ihre Füße. »Ich wünschte, wir könnten öfter reden. Dann müsstest du nicht alles diesem Sorgenstein sagen.«
»Ist schon in Ordnung. Maita hat mich vor meiner Abreise noch einmal darum gebeten, ihm jeden Tag alles zu erzählen, was mich und meinen Mann beschäftigt, damit ich meine Gedanken klarer ordnen und ein besseres Verständnis für ihn aufbringen kann.«
Divya zog die Füße aus dem Wasser und setzte sie auf den kühlen Boden. »Alles, was deinen Mann beschäftigt?« Sie runzelte die Stirn. »Roc hat mir erzählt, dass er Maita so oft besucht hat, um ›etwas von ihr zu erfahren‹. Ich habe mich gefragt, welchen Nutzen eine Schulleiterin für die Rebellen haben kann. Aber vielleicht geht es gar nicht um das, was sie von den Schülerinnen hört, sondern …«
Jolissa nahm ebenfalls ihre Füße aus dem Becken.
»Sondern?«
»Von den Ehefrauen der Stadt«, flüsterte Divya.
Jolissa sah sie ungläubig an. »Du meinst doch nicht etwa, der Sorgenstein kann Maita weitergeben, was ich sage?«
»Alle verheirateten Mädchen haben doch Sorgensteine! Und sie leben in den vornehmsten Palästen, ihre Männer regieren diese Stadt«, sinnierte Divya. »Bisher habe ich dieSorgensteine immer nur von Weitem gesehen, aber das Leuchten kam mir gleich seltsam vor.«
»Leuchten?«, fragte Jolissa irritiert.
»Kann es sein, dass sich im Innern der kleinen Kugel etwas bewegt, das aussieht wie ein kleiner Schmetterling?«
Jo schüttelte den Kopf, aber sie zog die Kette von ihrem Hals und legte den Anhänger in ihre Hand. Divya nahm ihn vorsichtig entgegen und drehte ihn. Eine hauchfeine Glaskugel in einer silbernen Fassung und darin glitzerte und tanzte etwas.
Divya gab Jo die Kette zurück und sah schweigend zu, wie sie sie wieder unter ihrem Tuch verschwinden ließ, erst dann sprach sie weiter.
»Auch wenn du es nicht sehen kannst – in der Kugel befindet sich ein kleines Licht .« Sie runzelte die Stirn. »Ehrlich gesagt, ich verstehe es nicht. Maita gibt euch absichtlich diese kleinen Wesen mit … Irgendwie muss es ihr oder jemand anderem wohl gelungen sein, die Lichter einzusperren und ihnen später das wieder zu entlocken, was ihr ihnen erzählt. Frag mich nicht, wie das geht und wer mit ihnen sprechen kann, aber so muss es sein! Das Ding ist ein Lauscher! Erzähl ihm von heute an nur noch das, was Maita oder die Rebellen ruhig wissen dürfen. Meinetwegen auch Warkans Geheimnisse – aber nicht
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