Messertänzerin
als … Gast, und die Gerüchte über die Entstellung sollten die neugierige Dienerschaft fernhalten, aber dass ihr genauso viel tratscht wie die Weiber im Waschkeller …!«
Tajan verneigte sich vor Divya. »Entschuldigt die Störung, Tana! Wir lassen Euch jetzt allein.«
Er wandte sich langsam zur Tür und wollte den Raumverlassen, als der größere der Wächter Tajan in den Rücken sprang. Als hätte er darauf gewartet, schnellte dieser herum und schlug mit der Faust gegen den Arm, der ihn angreifen wollte. Der Wächter keuchte auf, ließ sich aber nicht so leicht beeindrucken und hob mit seiner linken Hand die Lanze. Tajan sprang ein paar Schritte rückwärts, hob ebenfalls die Lanze und schwang sie drohend vor sich hin und her.
»Bist du wahnsinnig?«, keuchte Tajan. »Ich bin dein Vorgesetzter!«
»Wer von uns ist wahnsinnig?«, stieß der Wächter hervor. »Du hast gerade völlig grundlos einen alten Mann getötet! Wenn du es erklären kannst, dann lass uns direkt zu Warkan gehen. Gib mir deine Waffen und sei vernünftig!«
Der kleinere der beiden Wächter wandte sich an Divya. »Und dich nehmen wir auch mit!«
Doch er kam nicht dazu, die Hand nach ihr auszustrecken. Divya hatte inzwischen einen Besen entdeckt. Ohne zu überlegen, riss sie ihn an sich und hielt ihn quer vor sich wie beim Stockkampf. Der Wächter hielt ihr unschlüssig die Lanze entgegen, aber offenbar war er noch nie von einer Frau angegriffen worden. Divya nutzte seine Verblüffung, sprang vor, täuschte einen linken Stoß an, führte ihn aber nach rechts aus und traf die Schläfe des Mannes. Der Schlag schickte ihn sofort zu Boden. Genauso hatte Tajan es ihr gezeigt – der Gegner wurde nur schwach verletzt, war aber für eine ganze Weile bewusstlos.
Tajan stand noch immer dem Größeren der beiden gegenüber.
»Ich will dir nicht wehtun, Coss«, sagte er ganz ruhig. »Was hältst du davon, wenn wir dich hier oben einsperrenund du pfeifst erst eine ganze Weile später nach Verstärkung?«
Der Mann, der Tajan nervös taxierte, zögerte. Divya konnte in seinen Augen ein Flackern sehen. Er scheute also doch einen Kampf mit seinem Vorgesetzten, ganz besonders nachdem sein Verbündeter am Boden lag.
Als er die Lanze senkte, tat Tajan es ihm fast gleichzeitig nach und wandte ihm den Rücken zu. War es Vorahnung oder gesunder Instinkt? Auf jeden Fall drehte er sich gleich darauf wieder um, gerade noch rechtzeitig, als der Wächter die Lanze hob. Schneller, als der andere diese Wendung begreifen konnte, sprang Tajan vor und schlug ihm das Holz der Lanze gegen die Schläfe. Einen Moment lang schien es, als könnte er sich dennoch auf den Beinen halten. Tajan riss ihm die Kette mit der Flöte vom Hals und warf sie in die Ecke. Dann sah er zu, wie der Wächter in die Knie ging und liegen blieb.
Tajan holte tief Luft und schien in sich zusammenzusinken.
»Wer war dieser Magier, den ich für dich getötet habe?«, fragte er leise. »War er das alles wert?«
»Er hat die Lichter in Warkans Namen gelenkt, um mit ihrer Hilfe die Stadt zu beherrschen.«
»Lichter? In Warkans Namen?«
»Hätte er den Magier sonst in diesem Turm leben lassen?«
Divya spürte, dass er die Wahrheit noch nicht vollständig glauben konnte. »Als du hereinkamst, hatte er meinen Geist so geschwächt, dass ich beinahe freiwillig in den Tod gestürzt wäre. Einen Atemzug später und ich hätte dem Willen des Magiers gehorcht.«
Tajan nickte, er hatte ihre Todesangst gespürt. Und nun las sie in seinen Augen die Verzweiflung, die sich wie eine Wolke über ihm zusammenzog. Wie gern hätte sie ihn getröstet! Aber das Wichtigste blieb ihr noch zu tun: Mit beiden Händen griff sie in die Bänder, die die Amulette hielten, und riss sie von der Decke. Als sie alle in einer Ecke zusammengetragen hatte, wollte sie das Glas des Käfigs zerschlagen, doch sie senkte die erhobene Lanze schnell wieder und betrachtete fasziniert das Schauspiel, das sich ihr bot.
Die Lichter brauchten ihre Hilfe nicht mehr, jetzt, da der Schutzschild aus Silber zerstört war. Sie durchdrangen das Glas, als wäre es nicht vorhanden. Ihr hundertfaches Leuchten spiegelte sich nicht darin, aber es erfüllte den Raum wie ein wundersamer Sternenregen. Die Wesen flogen dicht beieinander, umflatterten Divya und wandten sich schließlich zum Fenster. Dabei hinterließen sie in Divya ein Gefühl von Glück und Erleichterung, und es wärmte sie wie ein Hauch lauer Luft. Innerhalb weniger Atemzüge waren alle
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