Messertänzerin
gebeten, fünf Nächte hintereinander die Böden scheuern zu dürfen.
Tassari
Tajan stand über seine Messer gebeugt und polierte sie mit einem Stück Stoff. Jolissa saß auf einer Holzkiste, mit dem Rücken zu ihm, eingehüllt in Tajans Umhang. Divya sah beiden die Erleichterung über ihr Erscheinen an, als sie sich über die Dachkante schob. Beide hatten offenbar mühsam versucht in ihren Rollen zu bleiben: Jolissa als Unnahbare, als Tana, der Unrecht geschah, und Tajan als ungeduldiger Sujim, der Besseres zu tun hatte, als auf kleine Mädchen aufzupassen.
»Ich bringe dich gleich zurück«, sagte sie, aber Jolissa schüttelte den Kopf.
»Du hast schon genug riskiert. Jetzt erzähl! Was ist passiert?«
Divya berichtete, wie sie Maita belogen hatte und auch von dem Gefallen.
Tajans Augen wurden noch dunkler.
»Das klingt nicht gut. Ich frage mich, was sie mit dir vorhat.«
Jolissa seufzte und zog Divya in ihre Arme. »Wie kann ich mich dafür je revanchieren? Hab ich ein Glück, dass ich so eine Freundin habe!«, flüsterte sie.
»Wohl wahr!«, bestätigte Tajan düster und fing sich damit einen bösen Blick von Divya ein.
Jolissa ignorierte ihn hoheitsvoll und verschwand hinter dem Kamin, um sich wieder anzuziehen. Als sie zurückkam, zog sie ein kleines Päckchen aus ihrer Vesséla.
»Ich wollte … Das war eigentlich ganz anders geplant. Bei Kerzenlicht und Kuchen in meinem Zimmer wäre es passender gewesen.«
Sie warf Tajan einen Seitenblick zu. »Aber dann gebe ich dir das Geschenk eben hier. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!«
Sie umarmte Divya und drückte ihr eine flache Schachtel in die Hand. Divya war so verblüfft, dass sie nicht wusste, was sie damit anfangen sollte. Sie hatte noch nie ein Geschenk bekommen. Jolissa nickte ihr auffordernd zu und Divya öffnete schließlich den Deckel. Im Innern, in glänzendes Papier eingeschlagen, lag ein hauchfeines, dunkles Etwas, und als Divya es berührte, fühlte es sich an wie ein Nichts, das nur leicht auf der Haut prickelte.
»Ich dachte mir, zum Tanzen solltest du einen eigenen Njurschal haben. Eine Dienerin hat ihn mir eingefärbt. Grau. Auch wenn eine andere Farbe dir besser stehen würde – so passt er genau zu deiner Vesséla. Probier ihn doch gleich einmal aus!«
Divya sprang auf, ließ die Schachtel fallen und den Njurschal durch ihre Finger gleiten. Er schwebte, als wartete er sehnsüchtig auf den nächsten Nachtwind. Sie machte ein paar Schritte übers Dach damit, ließ ihn fliegen und ihr Kinn umschmeicheln, und als sie einen kraftvollen Sprung durch die Luft machte, der Maita mit Sicherheit missfallen hätte, flatterte der Njur in ihrer Hand wie ein Banner.
Atemlos kehrte Divya zu Jolissa zurück und fiel ihr in die Arme.
»Du bist verrückt!«, lachte sie. »Danke!«
Als Jolissa sich verabschiedet hatte und Divya ihr geholfenhatte, zurück in die Agida zu klettern, wandte Divya sich zu Tajan um. Sein Blick war unergründlich.
»Du schickst mir halb nackte Mädchen aufs Dach, tanzt mit einem grauen Njur und lässt dich freiwillig anstelle deiner Freundin bestrafen. Du erstaunst mich immer wieder.«
Divya lächelte verunsichert.
»Jetzt habe ich eine Überraschung für dich. Auch wenn ich nur der Zweite bin.« Er legte einen schmalen Gegenstand in ihre Hand, der in ein Stück Stoff geschlagen war, das so aussah wie die, die er für die Pflege seiner Waffen benutzte. Tatsächlich hatte es ein paar dunkle Flecken vom Poliermittel. Beim Auswickeln spürte Divya bereits, was es war. Verblüfft starrte sie auf ein glänzendes Messer. Ihr erster Verdacht war, dass Tajan schnell ein Geschenk gesucht hatte, weil er eben erst von ihrem Geburtstag erfahren haben konnte. Aber dann bemerkte sie die Gravur im metallenen Griff.
»Eine Ameise?«, fragte Divya erstaunt.
Sie sah gerade noch rechtzeitig auf, um zu bemerken, dass er rot wurde.
»Erinnerst du dich an die Nacht, in der ich dich ›Ameise‹ genannt habe?«
Divya nickte. Wie konnte sie die vergessen?
»Du hast mich damals falsch verstanden. Schon an deinem ersten Tag hier oben auf dem Dach – als du getanzt hast – musste ich daran denken, was mein Sujim-Meister mir gesagt hat: ›Unterschätze nie deinen Gegner. Du hältst eine Ameise für schwach? Hätte sie deine Größe, könnte sie zehnmal so viel tragen wie du und wäre fünfzehnmal schneller.‹ Deshalb erinnerst du mich an eine Ameise. Klein, schnell, zielstrebig. Leicht zu unterschätzen.«
Divya wurde rot und
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