MetaGame: Science-Fiction Thriller (German Edition)
antäten, aber er war verzweifelt.
Lily schoss ihm einen eindringlichen Blick über die Schulter zu, und in ihren lebhaften blauen Augen blitzte es. D_Light spannte sich an, bereit, einen Schlag abzuwehren, aber sie schlug nicht zu. Sie kräuselte die Lippen in offensichtlichem Widerwillen, sie sah D_Light einmal hart in die Augen – ein Blick, unter dem er sich wie nackt vorkam –, drehte daraufhin den Kopf wieder nach vorn und ging weiter.
D_Light zögerte, aber dann folgte er ihr, da ihm nichts Besseres einfiel. Zunächst versuchte er es mit naheliegenden Fragen wie: »Weißt du, wo du bist?« und: »Weißt du, wohin du gehst?«, aber sie gab keine Antwort. Er beschränkte sich daraufhin, schweigend ein paar Schritte hinter ihr herzugehen. Er wollte ihr einfach folgen, bis sie losstürmte oder etwas anderes täte. Er musste ein Auge auf sie halten, zumindest bis mit der Autorität alles erledigt wäre. Er fragte sich, was Lyra und Djoser gerade taten, wagte jedoch nicht, sie anzublinken, weil er Angst hatte, dass sie seine sofortige Rückkehr verlangten.
Lily wusste, wo sie war, denn sie hatte gleichfalls ein GPS in ihrem Chip, aber sie wusste nicht, wohin sie gehen könnte, damit sie in Sicherheit wäre. Im Augenblick hatte sie das Gefühl, sie müsse einfach bloß weiter. Während sie sich die Ereignisse von gerade eben durch den Kopf gehen ließ, musste sie sich eingestehen, dass ihr Vertrauen lediglich auf einerAhnung beruhte, einem mysteriösen und überraschenden Gefühl gegenüber diesem Menschen, das ihr in den Sinn gedrungen war, seitdem sie ihn zum ersten Mal dabei ertappt hatte, wie er sie, unter dem Baum stehend, angestarrt hatte. Es war, als wäre sie ihm zuvor schon begegnet, vielleicht in einer dunklen Vision oder in einem anderen Leben. Todget hatte sie immer vor ihren Ahnungen gewarnt, obwohl ihre Instinkte sie zuvor nie im Stich gelassen hatten. Aber dieser Mensch mit seinem geschmacklosen Namen und seinen dummen Bemerkungen hatte als eifriger Zuschauer dabei gestanden, während ihr lieber und teurer Todget getötet worden war. Instinkte oder nicht, wie konnte sie ihn ertragen?
Andererseits hatte der Mensch, soweit sie es sagen konnte, sein Versprechen eingehalten. Sie war immer noch frei. Ihr fiel ein, wie Todget von den vielen Technologien im Besitz derer gesprochen hatte, die sie jagten. Er hatte gesagt, ihre Kräfte seien so groß und zerstörerisch, dass sie beide, sollten sie je entdeckt werden, nicht entkommen könnten. Dennoch war sie entkommen, zumindest für den Moment.
D_Light, bist du bereit, dein Urteil anzuhören?
Die androgyne Stimme in seinem Kopf schreckte ihn auf, da er in ein eigenes inneres Zwiegespräch verstrickt gewesen war.
Ja
, entgegnete D_Light.
Die Göttliche Autorität hat dich schuldig des Verbrechens befunden, für das du angeklagt warst. Dein Status wird hiermit heraufgesetzt von ›unter Dämonenverdacht‹ zu ›Dämon‹
.
»Unmöglich!« D_Light sprudelte das Wort unwillkürlich laut heraus. Plötzlich fühlte er sich benommen, die Brust schnürte sich ihm zu, und ein schrilles Klingeln tönte in seinen Ohren. Lily warf einen Blick zurück zu ihm, nachdem sie den unerwarteten Ausruf gehört hatte, aber D_Light erwiderte ihn nicht. Er wollte ihren Ausdruck nicht sehen. Auf einmal spielte sie für ihn keine Rolle mehr. Er war allein mit seiner Angst.
Da hat es einen Fehler gegeben! Überprüfe die Beweise noch einmal!
, befahl er der Stimme in seinem Kopf.
Es ist nicht ratsam für dich, das Urteil anzufechten, bevor du nicht zusätzliche Beweise hast. Halte dich bitte für eine wichtige Information bereit, die dir dabei helfen wird, deinen Dienst für die Göttliche Autorität zu verbessern
.
Die Stimme hielt ganz kurz inne, bevor sie weitersprach.
Hiermit sei dir mitgeteilt, dass nach Paragraph #3398439 die Göttliche Autorität Informationen aus einem Archiv, das freiwillig von einem Angeklagten zur Verfügung gestellt wurde, zu keinem anderen Zweck als demjenigen verwenden kann, den der Angeklagte ausdrücklich genannt hat
.
D_Light kannte diesen Paragraphen. Er sollte Angeklagte ermutigen, ihre Archive – die üblichste Form von Beweisen – der Autorität zur Verfügung zu stellen. Bevor dieser Paragraph wirksam wurde, hatten Angeklagte davor Angst, weil es über die Bestätigung von Schuld oder Unschuld im verfolgten Verbrechen hinaus auch dazu genutzt werden konnte, weitere Verbrechen ebenso zu entdecken wie den Aufenthaltsort des
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