MetaGame: Science-Fiction Thriller (German Edition)
jetzt hatte sie einen schrecklichen Hunger, einen Hunger, der nur durch diejenigen zu stillen wäre, die ihr eingeprägt waren.
Sie machte einen Schritt, beugte sich wieder herab und inhalierte ein weiteres Mal langsam die Luft. Diesmal konzentrierte sie sich stärker. Ihr Gehirn verarbeitete die Millionen von Duftnoten, ignorierte die irrelevanten, siebte bloß nach zweien durch. Selbst Klone – genetisch identisch – konnten durch den Geruch voneinander unterschieden werden. Die Geruchsspuren ihrer Opfer waren einzigartig.
Klone aufzuspüren war eine der Trainingstechniken, die ihre Herren verwendeten. In ihren ersten Ausbildungstagen ließen sie nicht zu, dass sie sich von dem nährte, was sie jagte – das Aufziehen geklonterProdukte bis ins Erwachsenenalter war teuer, und es wäre eine Sünde, sie zu vergeuden.
Aber ihre Herren waren jetzt nicht hier, und gelegentlich gewann ihre Natur die Oberhand. Vor ein paar Monaten hatte sie einem Flüchtling bis zu einem Einkaufszentrum nachgespürt. Da es sich um einen öffentlichen Ort handelte, hatte er geglaubt, dort vor einer sofortigen Exekution sicher zu sein. Aber dieser Flüchtling wusste nichts von der Intensität von Trevas Hunger. Der Flüchtling war schwer fassbar gewesen, daher hatte sie sich, als sie ihn endlich erwischt hatte, nicht mehr beherrschen können; die arme Seele wurde sehr öffentlich in Fetzen gerissen.
Wegen der vielen Zeugen dort war ihr Bild plötzlich überall in der Cloud zu sehen. Demzufolge musste sich Treva einigen kosmetischen Operationen und genetischen Therapien unterziehen, um ihre biologische Signatur zu verändern und ihre Anonymität wiederherzustellen – aber erst, nachdem sie ernsthaft bestraft worden war.
Sie machte einen weiteren Schritt und inhalierte erneut tief. Der Reiniger, der das Gebiet keimfrei gemacht hatte, hatte gute Arbeit geleistet, aber sie hatte eine schwache Spur aufgenommen. Noch konnte sie die Richtung nicht erkennen.
Ah, ja, ihr Zarten, bald habe ich euch
, dachte sie.
KAPITEL 20
Lily sah den Menschen dabei zu, wie sie ihr spezielles Ritual abhielten. Drei von ihnen, darunter auch D_Light, standen in einem Kreis. Sie sprachen nicht, sondern vollführten stattdessen Gesten mit der Hand und lachten hin und wieder, blinzelten, nickten oder tappten mit den Füßen. Lily wusste, dass die echte Kommunikation telepathisch ablief. Trotzdem sahen sie in ihren Augen bei ihrem stummen Gespräch selten dämlich aus. Sie erinnerten an Kinder, die ein merkwürdiges, selbst erfundenes Spiel spielten, und nicht an die Herren des Universums, für die die Menschen sich hielten.
Gleich neben dem Kreis standen zwei weitere Gestalten, jedoch immerzu wachsam und das Gesicht nach außen gewandt. Die beiden strotzten nur so vor Waffen. Der Mann sah Lily nur hin und wieder an, während er die übrige Umgebung absuchte, aber die Frau ließ ihren Blick auf ihr ruhen, als wolle sie Lily damit durchbohren.
Lily rief sich ins Gedächtnis zurück, dass sie wahnsinnig sein musste, bei dieser Bande exzentrischer »Spieler« zu bleiben, wie sie sich selbst nannten. Wäre Todget noch am Leben, so wäre er entsetzt und vielleicht zutiefst enttäuscht darüber, dass sie so viel Vertrauen in den Feind setzte – vielleicht eben jene, die für seinen Tod verantwortlich waren. An diesem Punkt musste Lily zugeben, dass ihr Vertrauen nicht in einer echten Hoffnung auf Sicherheit gründete, wie D_Light ihr Glauben machen wollte, sondern auf schlichter Neugier … und noch etwas anderem. Intuition?
Es war Brauch, zwischen den einzelnen Quests eines MetaGames eine Pause einzulegen. Das gestattete den Spielern, sich auszuruhen und neu zu formieren. Auch war man der Ansicht, diese Pause würde der Software der künstlichen Intelligenz – oder was sonst für das MetaGame verantwortlich sein mochte – die nötige Zeit zur Auswahl der nächsten Quest verschaffen. D_Light hatte etwas Angst gehabt, dass ihn die anderen während der Unterbrechung ausliefern würden. Schließlich sagtedie Quest nicht, dass diejenigen, die »dämonisiert« worden waren, in der Gesellschaft bleiben mussten. Er hoffte jedoch, dass die anderen diese Schlussfolgerung ziehen würden. Abgesehen davon: Hatte er sich nicht als wertvolles Mitglied erwiesen? Dennoch war das Weitermachen mit einem Dämon für die Gesellschaft problematisch. Die anderen könnten gleichfalls dämonisiert werden, weil sie ihm halfen und ihn unterstützten. Sie nahmen ein großes Risiko auf
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