Meteor
Er kannte das. Politiker und ihre Mitarbeiter plusterten sich gerne auf und versuchten, den Geheimdiensten auf der Nase herumzutanzen, selten allerdings so massiv wie heute Marjorie Tench. »Weiß der Präsident von Ihrem Anruf?«
»Ehrlich gesagt, Sir, ich bin schockiert, dass Sie sich diese hirnrissigen Ergüsse überhaupt anhören.«
Sie hat meine Frage nicht beantwortet. »Ich vermag keinen logischen Grund zu erkennen, weshalb diese Leute die Unwahrheit sagen sollten. Ich muss davon ausgehen, dass sie entweder die Wahrheit sagen oder sich guten Glaubens im Irrtum befinden.«
»Ein Irrtum? Ein erfundener Mordanschlag? Angebliche Fehler in den Erkenntnissen über den Meteoriten, die der NASA nicht aufgefallen sind? Das sind doch unverkennbar politische Machenschaften!«
»Falls dem so sein sollte, vermag ich die Motive nicht zu erkennen.«
Marjorie Tench stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus und senkte die Stimme. »Sir, hier sind Kräfte am Werk, die sich offenbar Ihrer Kenntnis entziehen. Wir können das gerne später ausgiebig diskutieren, aber im Moment muss ich wissen, wo sich Miss Sexton und die anderen befinden. Ich muss dieser Sache auf den Grund gehen, bevor diese Leute einen nicht wieder gutzumachenden Schaden anrichten. Also, wo sind sie?«
»Ich sehe mich nicht in der Lage, Ihnen diese Information zukommen zu lassen. Ich werde mich mit Ihnen in Verbindung setzen, sobald die genannten Personen eingetroffen sind.«
»Falsch! Sobald sie eintreffen, werde ich da sein, um sie zu begrüßen.«
»Angenommen, ich gebe Ihnen Zeit und Ort der Ankunft bekannt – werden wir dann wie Freunde vernünftig miteinander reden können, oder haben Sie vor, mit einer kleinen Privatarmee des Secret Service anzurücken, um die drei Personen in Gewahrsam zu nehmen?«
»Diese Leute stellen eine unmittelbare Bedrohung des Präsidenten der Vereinigten Staaten dar. Das Weiße Haus hat jedes Recht, sie zu verhaften und zu verhören.«
Pickering wusste, worauf Marjorie Tench sich bezog. Den Beamten des Secret Service war es per Gesetz gestattet, Schusswaffen zu tragen, tödliche Gewalt anzuwenden und ohne richterlichen Haftbefehl die Verhaftungen von Personen vorzunehmen, allein auf den Verdacht hin, dass ein Verbrechen oder ein Akt der Aggression gegen den Präsidenten begangen oder auch nur geplant wurde. Der Secret Service hatte damit einen Freibrief.
Bei den Verhafteten handelte es sich allerdings meist um auffällig vor dem Weißen Haus herumlungernde Personen oder um Schüler, die den Präsidenten per E-Mail mit grobem Unfug belästigt hatten. Für Pickering bestand kein Zweifel, dass der Secret Service einen Grund finden würde, Rachel Sexton und die anderen in die Keller des Weißen Hauses zu schleppen und dort bis zum Sankt Nimmerleinstag schmoren zu lassen – kein ganz ungefährliches Spiel, doch Marjorie Tench hatte eindeutig begriffen, dass viel auf dem Spiel stand. Die Frage war, wie es weitergehen würde, falls Pickering die Initiative an Tench abgab. Er hatte wenig Neigung, es herauszufinden.
»Ich werde jede erforderliche Maßnahme ergreifen, um den Präsidenten vor falschen Anschuldigungen zu schützen«, erklärte Marjorie Tench. »Bereits die Andeutung, es sei nicht mit rechten Dingen zugegangen, würde einen dunklen Schatten auf das Weiße Haus und die NASA fallen lassen. Rachel Sexton hat das Vertrauen des Präsidenten schmählich missbraucht. Ich bin nicht bereit, den Präsidenten für seine Vertrauensseligkeit auch noch bezahlen zu lassen. «
»Und wenn ich verlangen würde, dass man Miss Sexton Gelegenheit gibt, die Sache vor einem offiziellen Untersuchungsgremium vorzutragen?«
»Dann würden Sie einen unmittelbaren Befehl des Präsidenten missachten. Sie würden Miss Sexton eine Plattform bieten, von der aus sie ein politisches Chaos größten Ausmaßes anrichten könnte. Ich frage Sie zum letzten Mal, Sir: Wohin lassen Sie die drei Personen bringen?«
Pickering atmete tief aus. Marjorie Tench hatte die Mittel festzustellen, dass das Flugzeug auf der Bolling Air Force Base landen würde, gleichgültig, ob er es ihr sagte oder nicht. Die Frage war, ob sie bis zum Äußersten gehen würde. Ihrer aggressiven Stimme nach zu schließen, würde sie nicht locker lassen. Marjorie Tench hatte Angst.
»Marjorie«, sagte Pickering ruhig und kalt. »Für mich steht fest, dass hier jemand lügt. Entweder Rachel Sexton und zwei renommierte Wissenschaftler – oder Sie. Ich glaube, der Lügner sind
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