Meteor
Tolland ging die ganze Liste durch und wählte schließlich die Option »lebensfeindliche Grenzgebiete/Tiefseegräben«.
Schlau, dachte Rachel. Tolland grenzte die Suche auf den Lebensraum ein, aus dem auch die hypothetischen Chondren stammten.
Diesmal kamen nur drei Einträge. Tolland lächelte. »Gut, das ist überschaubar.«
Rachel entzifferte mühsam den ersten Namen auf der Liste.
Limulus poly… irgendwas.
Nach einem Mausklick erschien das Foto einer Kreatur, die wie eine zu groß geratene Hufeisenkrabbe ohne Schwanz aussah.
»Das war nichts«, meinte Tolland und ging zurück zur Auswahlliste.
Rachel las den zweiten Namen. Crabbus pfui teuflius. Sie stutzte.
»Ist das ernst gemeint?«
Tolland lachte. »Nein, das ist eine noch nicht klassifizierte Spezies. Ihr Entdecker ist ein Witzbold. Er hat diesen Namen als offizielle wissenschaftliche Bezeichnung vorgeschlagen.« Tolland holte das Foto auf den Bildschirm – ein ausnehmend hässliches krabbenartiges Geschöpf mit Barthaaren und einer fluoreszierenden rosa Antenne.
»Kein schlechter Name«, kommentierte Tolland, »aber nicht unser Weltraumkäfer. Und nun zum letzten Angebot.« Er klickte auf den dritten Eintrag.
»Bathynomous giganteus«, las er vor, als der Text erschienen war.
Das Foto wurde geladen. Eine Nahaufnahme in Farbe.
Rachel machte einen Satz. »Mein Gott!« Das Geschöpf, das sie vom Bildschirm anstarrte, jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken.
Tolland sog die Luft ein. »Junge, Junge, der Bursche sieht irgendwie bekannt aus.«
Rachel nickte. Sie war sprachlos. Bathynomous giganteus. Es war eine riesige Unterwasserassel. Der Fund ähnelte verblüffend dem Fossil im Gesteinsbrocken der NASA.
»Es gibt da ein paar kleine Unterschiede«, sagte Tolland, während er einige anatomische Beschreibungen und Zeichnungen über den Bildschirm rollen ließ. »Aber die Ähnlichkeit ist auffallend, vor allem, wenn man bedenkt, dass es einhundertneunzig Millionen Jahre Zeit hatte, sich zu entwickeln.«
Auffallend ist gut, dachte Rachel. Die Ähnlichkeit ist überzeugend.
Tolland las den beschreibenden Text vom Bildschirm ab. »›Die seltene und erst unlängst klassifizierte Spezies Bathynomous giganteus, eine Tiefseeassel, gilt als eine der ältesten maritimen Arten.
Sie wird bis zu sechzig Zentimeter lang, hat ein in Kopf, Brust und Hinterleib gegliedertes Chitin-Außenskelett, paarweise Gliedfortsätze, Fühler und Facettenaugen wie landbewohnende Insekten. Fressfeinde dieses den Meeresgrund nach Nahrung absuchenden Aasfressers sind nicht bekannt. Er bewohnt öde Meeresregionen, die bislang für unbewohnbar gehalten wurden.‹«
Tolland blickte vom Monitor auf. »Das wäre die Erklärung, weshalb es in unserer Probe keine anderen Fossilien gibt!«
Rachel betrachtete die Kreatur auf dem Bildschirm. Sie war erregt und zugleich unsicher, ob sie die neue Lage ganz verstanden hatte.
»Stellen Sie sich vor«, sagte Tolland aufgeregt, »dass vor einhundertneunzig Millionen Jahren ein Gelege dieser Bathynomouskreaturen in der Tiefsee unter einer Schlammlawine begraben wurde. Mit der Umwandlung des Schlamms in Sedimentgestein werden auch die eingeschlossenen Tiere zu Fossilien. Gleichzeitig trägt der Meeresboden, der sich wie ein großes langsames Förderband auf die Tiefseegräben zubewegt, das Sedimentgestein mit den Fossilien in eine Zone mit höchstem Druck, wo sich im Gestein die Chondren bilden.« Tolland sprach schneller. »Wenn jetzt ein Brocken von der Kruste abbricht, die Fossilien und Chondren enthält, und auf dem Geröllkeil an der Abtauchkante liegen bleibt, was keineswegs selten vorkommt, liegt er dort wie auf dem Präsentierteller und braucht nur noch gefunden zu werden.«
»Aber wenn die NASA…« Rachel stockte. »Ich meine, wenn das alles ein Schwindel ist, muss die NASA doch damit rechnen, dass früher oder später jemand die Ähnlichkeit des Fossils mit unserem Tiefseelebewesen feststellt, oder? Ich meine, wir haben es ja auch gerade festgestellt.«
Tolland machte einen Ausdruck des Bathynomous-Fotos auf einem Laserdrucker. »Ich weiß nicht, ob das so schlimm wäre.
Selbst wenn jemand daherkäme und auf die Ähnlichkeit des Fossils mit einer lebenden Tiefseeassel hinweist – physiologisch sind sie nicht identisch. Es könnte die Aussagen der NASA vielleicht sogar stützen.«
Rachel begriff sofort. »Die Panspermien-Hypothese.«
Das Leben ist aus dem Weltall auf die Erde gekommen.
»Genau. Ähnlichkeiten
Weitere Kostenlose Bücher