Metro 2034
es dann abgeschlossen, die Mistkerle? Der ganze Lärm - ich betete, dass mich niemand gehört hatte. Aber als ich aus der Garage rauskam, waren überall diese Köter. Ich dachte, das war's . Das war's.« Er schloss die Lider und verstummte.
Beunruhigt nahm Sascha seine Hand, doch er schüttelte unmerklich den Kopf, ohne die Augen zu öffnen: Hab keine Angst, alles ist gut. Er hatte nicht einmal mehr die Kraft zu sprechen, dabei wollte er ihr alles berichten. Er musste ihr unbedingt erklären, warum er mit leeren Händen zurückgekommen war, warum sie nun eine Woche lang, bis er wieder auf den Beinen war, darben mussten. Doch noch ehe er dazu kam, war er in tiefen Schlaf gesunken.
Sascha überprüfte den Verband an seinem aufgerissenen Unterschenkel, nass von schwarzem Blut, und legte eine frische Kompresse darauf. Sie richtete sich auf, ging zu dem Rattenkäfig und öffnete die kleine Tür. Das Tier lugte misstrauisch heraus, schien sich zuerst verstecken zu wollen, doch dann tat es Sascha den Gefallen und sprang auf den Bahnsteig, um sich die Pfoten zu vertreten. Auf das Gespür einer Ratte konnte man sich verlassen: In den Tunneln lauerte keine Gefahr. Beruhigt kehrte die junge Frau zu der Liege zurück.
»Natürlich wirst du wieder gesund. Du wirst wieder gehen«, flüsterte sie ihrem Vater zu. »Und du wirst eine Garage finden, mit einem heilen Auto darin. Und wir werden uns gemeinsam hineinsetzen und weit weg von hier fahren. Zehn, vielleicht fünfzehn Stationen weit. Dorthin, wo man uns nicht kennt, wo wir fremd sind. Wo uns niemand hassen wird. Wenn es einen solchen Ort überhaupt gibt.«
Nun war sie es, die ihm das Zaubermärchen erzählte, das sie so oft von ihm gehört hatte. Sie wiederholte es Wort für Wort, und jetzt, da sie dieses alte Mantra ihres Vaters selbst aussprach, glaubte sie noch hundertmal mehr daran. Sie würde ihn pflegen, ihn heilen. Irgendwo auf dieser Welt musste es doch einen Ort geben, an dem sie den anderen völlig egal waren.
Einen Ort, an dem sie glücklich sein konnten. »Da ist es doch!Da!Es sieht mich an!«
Achmed kreischte, als hätte es ihn bereits gepackt. So hatte er noch nie geschrien. Wieder ging sein Sturmgewehr los, dann blieb es plötzlich stecken. Von Achmeds Gelassenheit war nichts mehr übrig: Zitternd versuchte er ein neues Magazin in die Nut zu stecken. »Es hat es auf mich abgesehen. Auf mich.« Plötzlich hörte man unweit das Rattern eines zweiten Automatikgewehrs. Dann schwieg es eine Sekunde lang und ging erneut los, diesmal kaum hörbar, mit abgehackten Salven zu je drei Schuss. Hunter lebte also noch, es gab noch Hoffnung. Das Knallen entfernte sich, dann kam es wieder näher, doch war es unmöglich zu sagen, ob die Kugeln ihr Ziel fanden. Homer erwartete das wütende Brüllen eines verletzten Monsters zu hören, doch die Station hüllte sich in unheimliches Schweigen; ihre rätselhaften Bewohner hatten entweder keine Körper oder waren unverletzlich.
Der Brigadier setzte jetzt seinen seltsamen Kampf am anderen Ende des Bahnsteigs fort -immer wieder flammte von dort die gepunktete Leuchtspur glühender Geschosse auf und erlosch sogleich wieder. Berauscht vom Nahkampf mit den Gespenstern hatte er seine Schützlinge im Stich gelassen. Homer holte tief Luft und legte den Kopf zurück. Schon seit einigen langen Augenblicken empfand er dieses Verlangen, hatte er deutlich diesen kalten, schweren Blick gespürt -mit seiner Haut, seinem Scheitel, den Härchen in seinem Genick. Nun konnte er sich dieser Vorahnung nicht mehr widersetzen.
Direkt unter der Decke, weit über ihnen, schwebte in dem dicken Nebel ein Kopf, so riesig, dass Homer nicht gleich begriff, was er da vor sich sah. Der Rumpf des Riesen blieb im Dunkel der Station verborgen, und seine ungeheure Visage hing schwankend über den winzigen Menschlein, die sich mit ihren unnützen Waffen zu verteidigen versuchten.
Er hatte es nicht eilig sie anzugreifen -er wollte ihnen noch eine kurze Gnadenfrist gewähren.
Stumm vor Grauen sank Homer auf die Knie. Das Gewehr glitt ihm aus der Hand und fiel klappernd auf die Gleise. Achmed brüllte wie am Spieß. Ohne Hast begann sich die Kreatur vorwärtszubewegen, und den gesamten sichtbaren Raum vor ihnen füllte ein dunkler Körper, riesig wie ein Fels. Homer schloss die Augen, machte sich bereit, nahm Abschied. Nur eines ging ihm dabei durch den Kopf, nur ein bedauernder, bitterer Gedanke bohrte sich in sein Bewusstsein: Ich habe es nicht geschafft.
Doch
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