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Metro 2034

Metro 2034

Titel: Metro 2034 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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dass jemand in letzter Verzweiflung versucht hatte, daran hochzuklettern. Doch nur wenige Minuten später konnte die Station der nächsten Gruppe einen solchen Empfang bereiten, dass der Verlust der halben Mannschaft den Überlebenden wie ein Sieg vorkam.
    Sie war unersättlich. Sie begünstigte niemanden. Sie ließ sich nicht erforschen. Für die Bewohner der benachbarten Stationen verkörperte die Nagornaja die Willkür des Schicksals. Sie war die schwerste Hürde für alle, die sich auf den Weg vom Ring zur Sewastopolskaja machten und umgekehrt.
    »So viele Vermisste . Das kann nicht die Nagornaja allein gewesen sein.« Achmed war abergläubisch, wie viele Bewohner der Sewastopolskaja, und deshalb sprach er von der Station wie von einem Lebewesen.
    Homer wusste, was Achmed meinte. Auch er hatte schon mehrfach darüber nachgedacht, ob es nicht die Nagornaja gewesen war, die die verschwundenen Karawanen sowie alle späteren Aufklärungstrupps verschlungen hatte. Er nickte, doch fügte er hinzu: »Wenn, ist sie hoffentlich daran erstickt.«
    »Was sagst du da?«, zischte Achmed ihn böse an. Seine Hand zuckte vor Ärger, als wolle er dem geschwätzigen Alten einen Stoß verpassen, doch er hielt sich zurück. »An dir wird sie sicher nicht ersticken!«
    Homer nahm die Beleidigung schweigend hin. Er glaubte nicht daran, dass die Nagornaja ihn gleichsam hören könnte und nun verärgert war. Zumindest nicht auf diese Entfernung . Aberglauben, nichts als Aberglauben!Es war unmöglich, all die Götzen des Untergrunds zu zählen -irgendwem trat man immer auf den Schlips. Homer machte sich darüber längst keine Gedanken mehr, Achmed hingegen schien anderer Ansicht zu sein. Er fischte eine Art Rosenkranz aus Makarow-Patronen aus seiner Jackentasche und begann die kleinen bleiernen Idole durch seine schmutzigen Finger gleiten zu lassen. Dazu bewegte er die Lippen in seiner Sprache - wahrscheinlich bat er die Nagornaja um Vergebung für Homers Sünden. Hunter hatte mit seinem übernatürlichen Spürsinn etwas wahrgenommen. Er gab ihnen mit der Hand ein Zeichen, nahm das Tempo raus und ging elastisch in die Hocke. »Dort ist Nebel«, murmelte er und sog mit der Nase die Luft ein. »Was ist das?« Homer und Achmed tauschten Blicke. Beide wussten, was das bedeutete: Die Jagd war eröffnet. Jetzt würden sie enormes Glück brauchen, um die Nordgrenze der Nagornaja lebend zu erreichen.
    »Wie soll ich dir das sagen?«, erwiderte Achmed unwillig. »Es ist ihr Atem.« »Wessen Atem?«, erkundigte sich der Brigadier unbeeindruckt und setzte seinen Rucksack ab, um aus seinem Arsenal das passende Kaliber herauszusuchen. Achmed flüsterte: »Der Atem der Nagornaja.« »Das werden wir ja sehen«, sagte Hunter und schnitt eine verächtliche
    Grimasse. Homer kam es so vor, als sei das entstellte Gesicht des Brigadiers zum Leben erwacht; in Wahrheit war es reglos geblieben wie immer - nur das Licht war anders darauf gefallen.
    Etwa hundert Meter weiter sahen es auch die beiden anderen: Ein schwerer, fahlweißer Dunst kroch ihnen am Boden entgegen, umspielte zunächst ihre Stiefel, wand sich dann um ihre Knie, füllte schließlich den Tunnel bis auf Gürtelhöhe . Es war, als stiegen sie allmählich hinab in ein geisterhaftes Meer, kalt und unfreundlich, als gingen sie mit jedem Schritt immer tiefer über einen schrägen Grund -bis sich das trübe Wasser irgendwann über ihren Köpfen schließen würde. Man sah kaum noch etwas. Die Strahlen ihrer Lampen blieben in diesem seltsamen Nebel hängen wie Fliegen in einem Spinnennetz hatten sie sich endlich ein paar Schritte vorausgekämpft, blieben sie schlaff in der Leere hängen, ermattet und ergeben. Geräusche drangen nur gedämpft zu den Männern, wie durch ein Daunenkissen, und jede Bewegung kostete ungeheuer viel Kraft, als ob sie nicht auf Schwellen gingen, sondern durch zähen Bodenschlamm wateten.
    Auch das Atmen fiel ihnen immer schwerer -nicht wegen der Feuchtigkeit, sondern wegen des ungewohnt bitteren Beigeschmacks, den die Luft hier hatte. Es kostete sie Überwindung, diese Luft einzuatmen -sie wurden das Gefühl nicht los, dass sie in Wirklichkeit den Atem eines riesigen, fremden Wesens in sich aufnahmen, das der Luft allen Sauerstoff entzog und sie dafür mit seinen giftigen Ausdünstungen tränkte. Homer zog sich für alle Fälle erneut die Atemmaske über.
    Hunter streifte ihn mit seinem Blick, fuhr mit einer Hand in seine leinene Schultertasche und setzte auf seine gewöhnliche

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