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Metro 2034

Metro 2034

Titel: Metro 2034 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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du im Alter von fünfundzwanzig Jahren die stärkste Armee im dir bekannten Teil der Welt befehligst, trennst du dich nur schwer von der Vorstellung, dass die Erde auf deinen Befehl hin aufhören würde, sich zu drehen. Doch um einem Menschen das Leben zu nehmen, braucht man in Wirklichkeit nicht viel Macht; es aber den Verstorbenen zurückzugeben steht in niemandes Macht.
    Davon durfte er sich selbst überzeugen: Die Tuberkulose raffte seine Frau dahin, und er war nicht imstande sie zu retten. Das war der Moment, als etwas in ihm zerbrach.
    Sascha war gerade vier geworden, doch erinnerte sie sich gut an ihre Mutter. Auch die furchtbare Leere des Tunnels, nachdem sie gestorben war, hatte Sascha noch deutlich in Erinnerung. Die Nähe des Todes tat sich in ihrer kleinen Welt wie ein bodenloser Abgrund auf, und sie blickte oft hinab. Die Ränder des Abgrunds wuchsen nur sehr langsam zusammen - zwei oder drei Jahre vergingen, bis sie aufhörte im Schlaf nach ihrer Mutter zu rufen.
    Ihr Vater tat das bis zum heutigen Tag. Vielleicht ging Homer die Sache nicht richtig an? Wenn der Held seines Epos ihm schon nicht selbst erscheinen wollte, warum nicht mit seiner künftigen Geliebten beginnen? Vielleicht konnte er ihn ja mit ihrer Schönheit und Jugend hervorlocken?
    Wenn Homer zunächst ganz vorsichtig ihre Linien zeichnete - ob sein Held ihr dann irgendwann aus dem Nichts entgegentrat? Wenn ihre Liebe vollkommen sein sollte, mussten sich die beiden Figuren ideal ergänzen. Folglich musste der Held in Homers Poem als vollendeter, fertiger Charakter erscheinen.
    In ihren Gedanken und Windungen würden sie einander ebenso gleichen wie die Scherben der zersplitterten Glasmalereien an der Nowoslobodskaja. Denn auch sie waren früher einmal ein Ganzes gewesen, bestimmt dazu, sich wieder zu vereinen . Homer fand nichts Schlechtes daran, diesen gelungenen Plot bei den alten Klassikern zu klauen.
    Leichter gesagt als getan. Aus Tinte und Papier eine junge Frau zu formen, dieser Aufgabe sah sich Homer einfach nicht gewachsen. Auch zweifelte er daran, dass er Gefühle überzeugend würde beschreiben können.
    Sein Verhältnis zu Jelena war von einer sanften Zärtlichkeit geprägt gewesen, aber sie hatten sich einfach zu spät kennengelernt, um sich rückhaltlos zu lieben. In ihrem Alter war es nicht mehr darum gegangen, ihre Leidenschaft zu stillen; sie waren zusammengekommen, um die Schatten der Vergangenheit hinter sich zu lassen und ihre Einsamkeit zu lindern.
    Die wahre und einzige Liebe Nikolai Iwanowitschs war dort oben zurückgeblieben. Doch ihr Facettenreichtum war in den vergangenen Jahrzehnten so sehr verblasst, dass er für seinen Roman kein wirkliches Vorbild mehr hatte. Zumal die Beziehung zu seiner Frau ohnehin nichts Heroisches an sich gehabt hatte.
    Gerade an dem Tag, als das atomare Gewitter über Moskau hereinbrach, hatte man Nikolai angeboten, die Stelle des erst kürzlich pensionierten Zugführers Serow zu übernehmen, was für ihn eine Verdopplung des Gehalts bedeutete. Bevor er jedoch seinen neuen Posten antrat, sollte er einige Tage frei machen. Er hatte seine Frau angerufen, die daraufhin ankündigte, sie werde eine Scharlottka backen, und dann das Haus verließ, um Sekt zu kaufen und mit den Kindern einen Spaziergang zu machen. Er aber musste vor seinem Urlaub noch eine letzte Schicht hinter sich bringen.
    Als Nikolai Iwanowitsch das Führerhaus des Zuges betrat, wusste er, dass er künftig dessen neuer Kapitän sein würde, glücklich verheiratet und am Beginn eines Tunnels, der in eine herrliche, lichte Zukunft führte. Schon eine halbe Stunde später war er um zwanzig Jahre älter geworden. Und als er an der Endstation ankam, war Nikolai ein gebrochener, armer, einsamer Mann. Vielleicht überkam ihn deshalb jedes Mal, wenn er auf einen wie durch ein Wunder erhaltenen Zug traf, dieses seltsame Verlangen: den für ihn bestimmten Platz des Zugführers einzunehmen, wie selbstverständlich über das Armaturenbrett zu streichen, durch die Frontscheibe in das Netz der Tunnelsegmente zu blicken.
    Sich vorzustellen, dass man das Fahrzeug doch noch instand setzen könne. Um den Rückwärtsgang einzulegen.
    Es war, als erzeugte der Brigadier um sich eine Art Feld, das sämtliche Gefahren von ihm ablenkte. Und er schien das zu wissen. Bis zur Nagornaja brauchten sie nicht einmal eine Stunde. Diesmal leistete die Linie keinerlei Widerstand.
    Homer hatte es immer gespürt: Ob Aufklärer, Handelsreisende der

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