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Metro 2034

Metro 2034

Titel: Metro 2034 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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den schwarzen Fluss hinabzublicken, der unten vorbeifloss.
    Doch jetzt hatte sie zu viel Zeit. Gebückt und im nasskalten Wind zitternd, machte Sascha einige Schritte vorwärts.
    Zwischen knochigen Bäumen waren im Zwielicht die eingefallenen Kämme von Hochhäusern zu erkennen, in dem öligen, zähen Wasser des Flusses platschte etwas Riesiges herum, und in der Ferne stießen irgendwelche Ungeheuer ein beinahe menschliches Stöhnen hervor.
    Plötzlich mischte sich in diese Geräusche ein gedehntes, jammerndes Quietschen.
    Sascha sprang auf, hielt das Kerzenglas in die Höhe, und von der Brücke aus antwortete ihr ein verstohlener Lichtstrahl. Eine baufällige, alte Draisine bewegte sich auf sie zu, drang mit Mühe durch den watteartigen Nebel, trieb den schwachen Schein ihres Scheinwerfers wie einen winzigen Keil in die Nacht. Sascha wich zurück: Dies war eine andere Draisine als sonst. Sie bewegte sich schleppend, als bereite jede Umdrehung ihrer Räder den Leuten an den Hebeln enorme Mühe.
    Endlich kam sie etwa zehn Schritt von Sascha entfernt zum Stehen. Ein dicker Hüne in einem primitiven Schutzanzug sprang von dem Rahmen herab und landete schwer auf dem Schotter. In den Sichtgläsern seiner Gasmaske spiegelte sich das diabolisch tanzende Feuer ihrer Kerze, so dass Sascha seine Augen nicht sehen konnte. In der Hand hielt der Mann eine alte ArmeeKalaschnikow mit Holzkolben.
    »Ich will von hier fort«, erklärte Sascha und hob energisch den Kopf. »Fo-ort«, echote die Vogelscheuche und zog dabei den Vokal erstaunt und höhnisch zugleich in die Länge. »Und was bietest du dafür?« »Ich habe nichts mehr.« Sie hielt ihren Blick starr auf seine flackernden, von Eisen umrandeten Sichtgläser gerichtet.
    »Bei jedem gibt es was zu holen. Besonders bei Frauen.« Der Fährmann grunzte, dann hielt er inne. »Lässt du deinen Papa etwa allein zurück?« »Ich habe nichts mehr«, wiederholte Sascha und blickte zu Boden.
    »Ist er also doch verreckt«, kam es teils erleichtert, teils enttäuscht aus der Maske. »Besser so. Das hier würde ihm nämlich gar nicht gefallen.«
    Der Gewehrlauf erfasste den Reißverschluss von Saschas Latzhose und begann ihn langsam nach unten zu ziehen. »Lass das!«, schrie sie heiser und sprang zurück. Das Glas mit der Kerze fiel aufs Gleis, Scherben sprühten umher, und augenblicklich leckte die Dunkelheit die Flamme auf.
    »Von hier kehrt man nicht zurück, hast du das immer noch nicht kapiert?« Die Vogelscheuche blickte sie gleichgültig aus ihren erloschenen, toten Gläsern an. »Dein Körper reicht ja nicht mal, um mir die Fahrt zu bezahlen. Damit begleichst du vielleicht gerade die Schuld deines Vaters.« Das Sturmgewehr wirbelte in seinen Händen herum, so dass sich der Kolben nach vorne drehte.
    Sascha spürte einen heftigen Schlag gegen die Schläfe. Ihr Bewusstsein erbarmte sich ihrer und erlosch.
    Seit dem Nachimowski prospekt hatte Hunter Homer nicht aus den Augen gelassen, so dass dieser sich den Notizblock nicht genauer hatte ansehen können. Plötzlich war der Brigadier voller Rücksicht, ja Mitgefühl gewesen, hatte sich bemüht, nicht nur den Alten nicht zu weit zurückfallen zu lassen, sondern sich sogar seinem Schritttempo angepasst, wozu er sich allerdings mächtig zügeln musste. Einige Male blieb er stehen und drehte sich um, scheinbar um zu kontrollieren, ob ihnen jemand folgte. Doch der grelle Strahl seines Scheinwerfers strich stets über Homers Gesicht, so dass der Alte sich für einen Moment wie bei einem Verhör vorkam. Er fluchte, blinzelte, versuchte zu sich zu kommen und spürte förmlich, wie der durchdringende Blick des Brigadiers über seinen ganzen Körper glitt, ihn abtastete, auf der Suche nach dem, was er am Nachimowski gefunden hatte.
    Unsinn!Natürlich hatte Hunter gar nichts sehen können, denn er war in jenem Augenblick zu weit entfernt gewesen.
    Er hatte wohl eher den Wandel in Homers Einstellung bemerkt und Verdacht geschöpft. Doch jedes Mal, wenn ihre Blicke sich trafen, brach dem Alten der Schweiß aus. Das wenige, was er hatte lesen können, genügte vollauf, um an den Absichten des Brigadiers zu zweifeln.
    Es war ein Tagebuch. Ein Teil der Seiten war von getrocknetem Blut verklebt.
    Diese ließ Homer unberührt -seine müden, steifen Finger hätten sie nur zerrissen. Die Aufzeichnungen auf den ersten Blättern waren verworren, nicht einmal die Buchstaben hatte der Autor im Zaum halten können, und seine Gedanken galoppierten so wild,

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